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■ Urdrüs wahre KolumneHeut'mal blau

Dass Golgatha von vielen Zeitgenossen für eine Zahnpasta-Marke gehalten wird, bedauert dieser Tage mit Fug und Recht der Bremer Pastor Louis von Zobelitz von St. Stephani. DER HERR aber lässt seiner nicht dauerhaft spotten durch Internet-Gottesdienste und andere Versuche, dem Zeitgeist in die Gesäßfalte zu kriechen und auch verlangt es DEN HERRN nach Aktionen und Gebeten zu Nutz und Frommen der illegalen Parzellistas. Diesen wunderbaren Menschen also, die von Herd und Scholle am Waller Fleet vertrieben werden sollen durch die Schweinepriester der Stadtplanung und Wirtschaftsförderung, welche von allem nur den Preis und nicht den Wert zu kennen belieben.

HÄNDE WEG von den liebenswerten BewohnerInnen der Soziotope in der Waller Feldmark, Artenschutz für alle, die mitsamt ihren Kaninchen, Hängebauchschweinen und Hühnern nicht in Dreizimmerwohnungen der Neuen Vahr passen: Solche Menschen zu vertreiben gefällt DEM HERRN überhaupt nicht wohl, weshalb die Evangelen der Bremischen High Church sich unbedingt die Waller Fleetkirche noch einmal von den neuen Mietern aus der Orthodoxie für einen Feldgottesdienst gegen Vertreibung ausleihen sollten! Dies wäre in der Tat eine Chance, den vom altbösen Staat geraubten Buß- und Bettag wieder mit Leben zu erfüllen ...

„Hast du uns erst mal gefunden/mach dir ein paar schöne Stunden“: So verheißungsvoll umwirbt die Pussycat-Bar im Bremer Westen per Weserkurier die ortsansässige Männlichkeit und just vor diesem Vergnügungs-Betrieb verteilt dieser Tage gegen 4 Uhr morgens (!) ein junger Mann mit ziemlich bunten Haaren im Zustand milder Betrunkenheit an vereinzelte Spätheimkehrer ein Flugblatt der Freien Arbeiter Union, in dem schlüssig bewiesen wird, dass eine Welt ohne Chefs nicht nur wünschenswert, sondern auch möglich ist. Und wie er da so steht, hält ein hochpreisiges Kraftfahrzeug neben ihm an, der dazugehörige Goldkettchenträger steigt aus, lässt sich einen der Zettel geben, reicht dem jungen Ananarchisten einen Hunderter und erläutert diese noble Geste mit den Worten „Ich weiss nich, was fürn Macker du bist, aber ich finde das voll in Ordnung!“ Diesen Vorfall aus glaubwürdigem Mund berichtet zu bekommen und wieder an die Zukunft dieser Erde zu glauben, ist fast schon Ehrensache ...

Und wem diesmal der rote Faden in dieser Kolumne fehlt, der sei mit dem Hinweis auf den Restalkohol beruhigt, der heute aus gegebenem Anlass deutlich über der Nachweisgrenze liegt. Das stört doch keinen großen Geist, meint mit vierzigprozentiger Entschiedenheit

Ulrich „Schluckauf“

Reineking

PS: Nach den Ausfällen des Evangelikalkopfs Jens Motschmann gegen seinen Parteifreund Michel Friedman fallen mir zu diesem Leiderleider-Bremer nur noch ganz, ganz schlimme Drohungen ein. Wer bitte zügelt mich in meinem Zorn? Und wäre das überhaupt angebracht?

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