■ Urdrüs wahre Kolumne: Wo issen der Puff?
„Wo issen hier der Puff?“, will ein schmächtig Bürschlein im Döner-Palast am O-Weg von mir erfahren, und wie ich ihm den Weg zur immer grauer wirkenden Helenenstraße weise, um meiner Bürgerpflicht als allzeit freundlicher Fremdenführer nachzukommen, da will der junge Mann mir gleich noch ein Loch in den Bauch fragen. Was es denn so koste, und was man da für Dienstleistungen erwarten dürfe, und was da überhaupt für Mädels arbeiten würden. Mit einer wahrheitsgemäßen Antwort zur aktuellen Situation auf dem roten Meilchen fühle ich mich einigermaßen überfordert, doch da er zwischen Döner, Joghurttrunk und Salat immer wieder nachbohrt, verweise ich ihn schließlich auf die Bremer Wirtschaftsförderung. Hinterher tat es mir leid – vermutlich haben die den vom Zungenschlag her zu urteilen höchstwahrscheinlich aus Sachsen-Anhalt stammenden Trottel gleich für hinterher zum Mjusical-Besuch verpflichtet. Eine Schuld, die nunmehr ziemlich heftig auf mir lastet ...
Kaum habe ich in der letzten Folge dieser Kolumne zur Attacke auf die Verantwortlichen für die Vernichtung freier Scholle zugunsten des Technologieparks gerufen, da stellt sich auch schon der klassenbewusste Arbeiterführer Jens Böhrnsen ein und spricht sich im Kleingärtner-Zentralorgan „Min Land“ höchst entschlossen für den Erhalt der Kleine Leute-Paradiese an der Munte aus. Und wenn dieser Jens Böhrnsen das auch noch dem anderen Jens Böhrnsen vom SPD-Fraktionsvorstand verklickern kann, dürfte die Sonne auch im Winter schön wie nie über Parzellistan scheinen, dem Maulwurf und dem Grillgourmet zuliebe!
Desolate Zustände im Ausländeramt zu bejammern und den Schlendrian zu beklagen, das ist in der Tat mehr als mein bisschen Verständnis für die Sorgen von Rabenvater Staat zulässt. Ist nicht das Chaos in der Maschinerie des Bösen jener Rest des Humanen, der dem Individuum gegen die Menschenjäger und Paragraphenwürger wenigstens noch einen Hauch von Chance gibt? War nicht der italienische Faschismus dem doitschen Schweinspriestertum an unmoralischer Qualität schon deshalb hoffnungslos unterlegen, weil im Räderwerk der Guillotine immer wieder mal ein bisschen Schlamperei auftrat? Kuno Böse ist jetzt angetreten, in der Ausländerbehörde für mehr Effizienz zu sorgen. Au weia! „Niemals Namenswitze“ hat mir einst als Jungschreiberling mein lehrreicher Redakteur geraten und so will ich auch bei dieser Visitenkarte mit dem Kürzel KB schweigen und die freien Assoziationen dem fühlenden und denkenden Leser überlassen.
Ulrich „Laubenpieper“ Reineking
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen