■ Urdrüs wahre Kolumne: Brot und Spiele
In beruflicher Chronistenpflicht nahm ich dieser Tage an einer Veranstaltung zum Thema Tierseuchen teil, wo ein besonders eifriger Diskussionsteilnehmer immer wieder von den Gefahren durch BHE (in Worten: Be-Ha-Ee) sprach, und ungeduldig wollten die Anwesenden ihm schon korrigierend ins Wort fallen und taten es dann auch, ohne dass er von seiner Seuchenformel BHE abließ. Und plötzlich dämmerte es mir. Be-Ha-Ee. Die einstige und mitunter auch belachte Revanchistenpartei BHE/Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten. Die schließlich inzwischen als vorläufiger Sieger der Geschichte bezeichnet werden darf und mit dem Anschluss Polens auch noch ihre Formel „Oder-Neisse niemals Grenze“ in die Zielgrade bringt. Hat man vor dem Gesamtdeutschen Einigungs-werk in Europa je von BSE gehört? Na siehste. Die arbeiten mit allen Mitteln!
Dass die vereinigten Ladenschwengel aus dem Schleifmühlen-Quartier im Beirat Mitte gegen Räume für die Drogen-Selbsthilfegruppe J.E.S. votieren würden, war zu erwarten. Wenn aber im viel zitierten „Jahr des Ehrenamts“ die Gesundheitsbehörde die Alimentierung von Selbsthilfe verweigert, „wenn zwei Drittel der Fördermittel für Miete verbraucht werden“, stimmt das dann doch als erklärter Grundsatz etwas nachdenklich. Den Plünderern und Wegelagerern von der „Bremer Hilfe“ für kleine rote Strolche hätte man mit diesem Prinzip jedenfalls nicht an den Karren fahren können – die wussten schon, wie und wo man Kosten und Posten ins amtsgerechte Gleichgewicht bringt.
In Schutz nehmen möchte ich heute ausnahmsweise mal den früheren Bau- und jetzigen Innensenator Bernt Schulte gegen jene Pfennigfuchser, die ihm nunmehr die Kosten der Einweihungsfete für den Bahnhofsvorplatz vorwerfen. Natürlich war das „Brot und Spiele“, so knapp zwei Wochen vor den Wahlen. Aber hat der gemeine Mann, der schlichte Penner und die einfache Stadtstreicherin sonst irgendwo mal Gelegenheit, sich ein bisschen korrumpieren zu lassen? Und fordere ich mehr Freibier von der Politik, Freikarten für Werder, Osterwiese, Puppentheater sowie Bratwurst vom Rost für alle. Die darf mir dann sogar ein Senator persönlich ins Brötchen schieben und auf Wunsch verspreche ich ihm dafür auch gern meine Stimme. Er weiss ja schließlich, was von Wahlversprechungen zu halten ist ..!
In einer Pressemitteilung warnt dieser Tage termingerecht zum allgemeinen Frühlingserwa-chen der Deutsche Allergie- und Asthmabund davor, dass Sperma nicht nur Schwangerschaften, sondern auch Allergien und Durchfall auslösen kann. Nehmense das einfach mal so hin ...
Apropos Frühlingserwachen. Vor der Eisdiele meiner kleinen Stadt lümmeln sich zwei grauhaarige Dandys dicht am landesüblichen Pensionsalter und zensieren, ohne irgendeinen öffentlichen Auftrag dafür zu haben, die anatomischen Qualitäten der luftig gewandet vorbeischlendernden Weiblichkeit. Als sie sich gerade in Spekulationen über die sogenannte Körbchengröße einer vielleicht siebzehnjährigen Passantin ergehen, kommentiert diese das unüberhörbare Gebrummel mit den Worten: „Kann doch egal sein: Ist doch für euch unerreichbar wie der Mond!“ Als Zaungast dieser flüchtigen Begegnung hätte ich gern noch nach ihrer Anschrift gefragt: Dieser Aphorismus wäre in der Tat ein Bremer Literaturstipendium zur Nachwuchsförderung wert gewesen.
Derzeit terrorisieren uns Illustrierten und Wochenblätter wieder mit Frühjahrskuren, die die Pfunde noch vor der Saison im Freibad an der See oder am Baggerloch purzeln lassen, bis Bikinifigur und Waschbrettbauch erreicht sind. Wer das Kartoffeln in Magerquark stippen dann irgendwann satt hat, dem bietet sich der in Buchhandel und esoterischen Gemischtwarenhandlungen gleichermaßen vertretene Ch.Falk-Verlag mit dem „Spiel vom Abnehmen“ einer Alexa Kneie an, zu dem es werbend heisst: „Dieses Spiel haben die Engel erfunden. Deshalb ist es auch ein Spiel geworden, leicht und heiter. Denn die Engel nehmen Rücksicht auf menschliches Durchhaltevermögen ... und man darf zwischendurch über die Stränge schlagen. Die Engel sagen: Lass deinen Zellen Zeit und mache ihnen ein unwiderstehliches Angebot. Licht, Lebendigkeit und Freude. Na los dann – so wird's gelingen!“
Und da strahlt er mich auch schon an, der barocke Rauschegoldengel in der Rustikal-Gastronomie: „Wir haben heute Haxe satt im Angebot ...“ Die erste Spielrunde hat begonnen ... – freut sich schon heute Ulrich „Badehose“ Reineking
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