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■ Urdrüs wahre KolumneWir fordern Bill Gates

Selbst im real existierenden Kapitalismus gibt es sie, die Warteschlangen des konsumorientierten Volkes vor italo-bremischen Eisdielen schon bei ersten Anzeichen von frühlingshaftem Wetter. Verdorben wird dem Chronisten der täglichen Gemeinheit jeder Appetit auf Nussnougat und/oder Zitrone durch eine neben ihm anstehende Dame im besseren Zwirn, die stirnrunzelnd ein gleichfalls wartendes und offensichtlich behindertes Kind im Buggy betrachtet und sich dann mit diesen Worten an die dazugehörige Mutter wendet: „Sagense mal wie konnte das denn passieren, in Ihrem Alter lässt man das doch vorher checken, sowas ist ja nun heute wirklich kein Schicksal mehr.“ Dieser dusseligen Kuh meine Eiswaffel nicht spontan in den Nackenausschnitt gestopft zu haben, kreide ich mir als echtes Versäumnis an ...

Der computerbedingte Totalabsturz der Bremen-Ausgabe dieses Blattes zum Dienstag hat das Erscheinen dank des heroischen Kampfes aller beteiligten Tazzen nicht verhindern können, was die Auszeichnung „Heldenhaftes Kollektiv der Arbeit“ unabdingbar macht. Darüber hinaus allerdings fordern wir anlässlich der CEBIT die sofortige Auslieferung von Ussama Bill Gates: Alle Spuren dieser Achselhöhle des Bösen weisen bislang über Japan in die USA!

Auch in den alten Säcken der trotzkistischen Bewegung lodert mitunter noch die Flamme der Empörung. Wie man einem Leserbrief des Bürgerschaftsabgeordneten Martin Günthner aus natürlich Bremerhaven in der „Wirtschaftswoche“ entnehmen kann. Dort beschreibt der linksradikale Juso von einst und Chef der parlamentarischen Hafenmafia von heute seinen heldenhaften Kampf gegen die doppelte Verbuchung eines Scheckkarten-Einkaufs beim Sperrholz-Möblierer Ikea und kostet auch seinen Sieg nach erfolgreicher Beschwerde öffentlich aus, der in Essensmarken für die Kantine des Unternehmens besteht. Vom Genossen Günthner lernen heißt Siegen lernen: Wenn das Volk von Weddewarden seine Verplanung unter Führung der Vierten Internationale im Kampf gegen ihn und seine schlimmen Kumpels verhindern kann, stiftet dieser Leo vermutlich die Bons für einen Umtrunk.

Gibt ja Menschen, die Lust bekommen, sich als Erführer und Erpresser zu versuchen und oft lassen die sich ja von uns Nichtkriminellen keine Vorschläge oder Vorschriften machen. Wenn solchen Freibeutern aber bei aller Entschlossenheit wirklich nur noch ein vernünftiges Ziel fehlt, verweisen wir hilfsweise auf den Agrarkonzern Monsanto, der seine Freilandversuche mit genmanipuliertem Mais in menschenverachtender Gleichgültigkeit gegenüber allen Risiken zwischen Rotenburg/Wümme und Schaumburg überall da in Norddeutschland betreibt, wo er willfährige Verpächter findet: Hier für selbstverständlich gewaltfreie und basisdemokratisch orientierte Anschläge Schmiere zu stehen, sollte auch und gerade den Älteren unter uns Ehrensache sein. Schon den Darbenden in der Welt zuliebe, deren tägliche Tortilla durch die Patente und Saatgutlizenzen dieser Schweinepuckel noch unerreichbarer wird.

Und am Montag fordern wir dann auf der IG-Metallkundgebung in Bremen 6 oder 60 Prozent mehr Lohn für alle, bittet sechs Wochen vor dem Ersten Mai 2002 schon mal

Ulrich „Redsox“ Reineking

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