Urdrüs wahre Kolumne: Mehrwert aus Leitungswasser
Kleine Wahlgeschenke nehme ich von den staatstragenden Parteien sehr viel vertrauensvoller entgegen als große Wahlversprechen. Und so griff ich dankbar zu der Tüte Brausepulver, die mir jetzt an einem Infostand der Fischerchöre gereicht wurde. Die nette Grünin bei der Übergabe augenzwinkernd: „Wir gehören ja beide zu einer Generation, die durch die Blechtrommel gelernt hat, was man mit dem Zeug sonst so anfangen kann.“ Dabei verwies sie noch auf den Tütenaufdruck „auch mit spitzer Zunge ...“ Blieb dann aber beim Wahlversprechen – leer wie immer.
Einer Schlagzeile des Weser Kurier entnehmen wir anlässlich der Eröffnung von Viehauktionshalle 7 auf der Bürgerweide: „An der Decke könnten 40 Kleinwagen hängen“. Ja warum denn das nun? Will man damit das CieCieBie für durchgeknallte Guinnessrekorde anmelden (mit Modellen aus der Produktion des neuen Bremerhavener Automobil-Moguls Ulrich Nölle) oder demnächst den Pfahlsitzern des Heideparks mit bizarren Aktionen für ADAC-Mitglieder Konkurrenz machen? In jedem Fall: Es wird sich nicht rechnen.
Das Denunziantentelefon der Sozialbehörde in Bremerhaven wird Woche für Woche von 25 Arschgeigen benutzt, um falsch oder boshaft Zeugnis wider den Nächsten zu führen. Kann nicht ein mit Herz und Hirn ausgestatteter Mitarbeiter der Telekom die Namen dieser Sozial-Blockwarte ausfindig und vor allem öffentlich machen, damit sie im Columbus-Center zum Bespucken und Bespeien an den Pranger gestellt werden können? Vielleicht bremst das ja auch den Aktivismus stadtbremischer Befürworter solcher Appelle an den Schweinehund im wachsamen Nachbarn.
An der Interbrühe verschluckt haben sich offenbar die Käufer des Brauhauses Beck aus der Frittenmonarchie Belgien: Im ersten Halbjahr schrumpfte das Ergebnis um satte 12 Prozent. Und wie man die überwertige Idee des Shareholder Value kennt, muss man wohl damit rechnen, dass diese Verluste bei der Herstellung der Plörre wieder reingeholt werden. Achte drauf, ob in der grünen Pulle auch wirklich noch der reelle Drittel Liter drin ist! Beim neuen Szene-Drink „Becks Gold“ in der glasklaren Spüli-Flasche aus schlechtestem CoronaMillersDesperado-Trenddesign scheint man den Mehrwert ja schon mit schlichtem Leitungswasserzusatz hecken zu wollen.
Patrona Bavariae, Du unterm Sternenzelt/breite Deinen Mantel aus, wohl über dieses Land! Auch in Bremen könnense davon offenbar nicht genug bekommen, denn nach dem Auftritt von Stoiber in der Stadthalle lädt die CDU des Bremer Westens heute schon wieder zu einem Bayerischen Abend in die Waller Kneipe Vier Jahreszeiten ein. Der Landtagsabgeordnete Franz Josef Pschierer (offenbar kein Künstlername) führt als niederbayerischer Meister im volkstümlichen Dreikampf ein in die Disziplinen Knödelweitwurf, Fensterln und Meineid schwören, und beim anschließenden Leberkäs-Wettessen und Wies’nbier-Erbrechen werden die Grundlagen künftiger Bildungspolitik entwickelt. Wird hier etwa die Machtübernahme durch den ortsansässigen Alpenverein vorbereitet, der ja immerhin als größter seiner Art in Deutschland gilt?
In dialektischer Ratlosigkeit
Ulrich „Augustiner“ Reineking
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