: Unzumutbare Zumutbarkeiten
Neuer Plan von Arbeitsminister Blüm: Arbeitslose müssen einen neuen Job auch dann annehmen, wenn sie wesentlich weniger Geld verdienen – gerade soviel wie ihr Arbeitslosengeld ■ Von Karin Flothmann
Berlin (taz) – Arbeitslose sollen künftig auch Stellen annehmen müssen, die unter ihrer beruflichen Qualifikation liegen. Das sehen Pläne zur Novellierung des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) vor, die derzeit im Hause des Bundesarbeitsministers Norbert Blüm (CDU) ausgeheckt werden. Danach sollen Bezieher von Arbeitslosengeld künftig schon in den ersten drei Monaten ihrer Erwerbslosigkeit eine Stelle akzeptieren müssen, bei der sie bis zu 20 Prozent weniger verdienen als im zuletzt ausgeübten Job. Bis zum sechsten Monat der Arbeitslosigkeit ist eine Stelle zumutbar, wenn das Arbeitsentgelt bis zu 30 Prozent niedriger liegt als zuvor. Außerdem heißt es in den Eckpunkten der AFG-Reform: „Vom siebten Monat der Arbeitslosigkeit an ist dem Arbeitslosen eine Beschäftigung nur dann nicht zumutbar, wenn das daraus erzielte Nettoeinkommen niedriger ist als das Arbeitslosengeld.“ Im Klartext: Nach sechs Monaten Erwerbslosigkeit sollen Arbeitslose künftig jede Stelle annehmen müssen, auf der sie genauso viel verdienen, wie sie Arbeitslosengeld beziehen. In der Regel sind das 65 Prozent des bisherigen Nettoverdienstes.
Nach der bisherigen Regelung sind Erwerbslose entsprechend ihrer Qualifikation in fünf Stufen eingruppiert, angefangen bei den HochschulabsolventInnen bis hin zu den ungelernten ArbeiterInnen. Langzeitarbeitslose können schon heute in Tätigkeiten vermittelt werden, die um eine Qualifikationsstufe schlechter sind. Zudem gilt eine Stelle in der ersten Zeit der Arbeitslosigkeit als zumutbar, wenn Erwerbslose dort bis zu 20 Prozent weniger verdienen als im zuletzt ausgeübten Job.
Nach Blüms Plänen soll außerdem der generelle Schutz für über 57jährige Arbeitslose vor Abstufung gestrichen werden. Darüber hinaus soll künftig gesetzlich verankert werden, was bisher nur probeweise Praxis ist: Erwerbslose müssen künftig alle drei Monate beim Arbeitsamt vorsprechen, um arbeitslos gemeldet zu bleiben.
Laut Welt am Sonntag stellte Blüm seine Vorschläge bereits der DGB-Spitze in einem vertraulichen Gespräch vor. Die Unterredung sei ohne Konsens auf einen späteren Zeitpunkt vertagt worden. Blüm habe aber den Gewerkschaften geraten, das Thema nicht „aufzubauschen“. Die Gewerkschafter hätten jedoch im Falle einer Verwirklichung mit ernsthaften Konsequenzen gedroht.
Während die Pläne zur Novellierung des AFG noch in den Schubladen des Bundesarbeitsministeriums liegen, wird sich das Kabinett schon morgen anderen Sozialkürzungen widmen. Sowohl Blüms geplante Novelle der Arbeitslosenhilfe als auch die von Gesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) anvisierte Reform der Sozialhilfe stehen dann zur Debatte. Künftig, so sieht es Arbeitsminister Norbert Blüm vor, sollen Erwerbslose, die Arbeitslosenhilfe beziehen, jährlich auf ihren „Marktwert“ hin überprüft werden. Je nach Ergebnis kann die Höhe der Arbeitslosenhilfe dann sinken.
Blüm wandte sich in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung gegen diesen Vorwurf, er wolle die Berechnung der Arbeitslosenhilfe künftig am „Marktwert“ eines Empfängers ausrichten. Dies sei ein „falsches Etikett“. Es gehe vielmehr darum, daß ein einmal erzielter Lohn nicht für alle Zeiten als Berechnungsgrundlage gelten könne. Schon heute ist gesetzlich festgelegt, alle drei Jahre die Höhe der Arbeitslosenhilfe neu zu errechnen. Dies, so Blüm, sei bisher jedoch selten angewandt worden. Er plane daher jetzt, die „individuelle Regelung durch eine pauschale zu ersetzen“.
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