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Archiv-Artikel

Unverdientes Glück

Die CDU muss sich im Windschatten der Bundes-Union liberaler geben als bisher und Dauerstreite beenden

Der Hauptstadt-Union hätte wahrlich nichts Besseres passieren können. Die vorgezogene Bundestagswahl erlöst die Partei vorübergehend von zwei großen internen Problemen.

Zum einen lenkt die voraussichtlich im Herbst anstehende Wahl ab vom permanenten Hickhack auf Landesebene. Seit Jahren streiten sich die Bezirksfürsten um die Macht im Landesverband, das Machtvakuum in der Union ist seit dem erzwungenen Abgang des Übervaters Eberhard Diepgen vor vier Jahren noch immer nicht gefüllt. Das könnte sich jetzt ändern. Der mächtige CDU-Bezirkschef von Charlottenburg-Wilmersdorf, Ingo Schmitt, wird auf dem Landesparteitag am Wochenende die Nachfolge des schwachen Landesvorsitzenden Joachim Zeller antreten. Rechtzeitig zur Bundestagswahl kann die Union nun argumentieren, die Konservativen hätten sich zusammengerissen. Hauen und Stechen kann es jedoch bei der Suche nach einem Spitzenkandidaten geben. Die Personalfrage wird Thema auf dem Parteitag am Samstag sein.

Ingo Schmitt und der andere starke Mann der Berliner Union, der Steglitz-Zehlendorfer Kreischef Michael Braun, müssen in einem Angela-Merkel-Wahlkampf Kreide fressen. Braun und Schmitt verkörpern nicht die „liberale Großstadtpartei“, welche die hiesige Union gerne anpreist. Vor allem Steglitz-Zehlendorf produziert seit Monaten Skandale und Skandälchen nahe am rechten Rand, etwa beim Umgang mit dem 8. Mai 1945.

Schon vor Monaten zitierte Parteichefin Merkel den Noch-Landesvorsitzenden Joachim Zeller zu sich. Die Bundesebene zeigte sich nicht erfreut über die Machtkämpfe der Berliner. Wenn das Berliner CDU-Führungsduo die Unterstützung einer Bundeskanzlerin Merkel nicht aufs Spiel setzen will, müssen die beiden in den kommenden Monaten liberalere Töne anschlagen.

Zweiter unverdienter Pluspunkt für die Union: Die Suche nach einem externen Spitzenkandidaten für die Abgeordnetenhauswahl 2006 wird leichter fallen. Wer auf Bundesebene keinen Job bekommen hat, wird eher bereit sein, die Niederungen der Berliner Kommunalpolitik zu betreten. MATTHIAS LOHRE