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Unterwelt und oberste LigaPersönliche Freunde und Knastbrüder

Zu Hause bei FremdenVonMiguel Szymanski

Martin „Dieselgate“ Winterkorn darf Aufsichtsrat des FC Bayern bleiben, trotz des Abgasskandals bei VW. Das verkündete der wahrscheinlich bald wieder Bayern-München-Präsident Ulrich „Uli“ Hoeneß dieser Tage im ­manager magazin. Seine Begründung: Der ehemalige VW-Vorstandsvorsitzende sei ein „persönlicher Freund“.

Der Ausdruck sollte Sorgen bereiten. „Persönlicher Freund“ ist kein Bonmot aus der Fußballwelt wie „Ich habe fertig“ oder „Prognosen erst am Ende des Spiels“. Vorstrafen hin, Millionenboni her, wer zur Formulierung „persönlicher Freund“ greift, spielt in einer besonderen Liga. Hinter der kryptischen Semantik verbirgt sich eine geheime Agenda und ein Netzwerk. Es entstammt dem Rotwelsch der Korrupten. „Persönlicher Freund“ bedeutet hier, dass Steuerverbrechen, Betrug und katastrophales Management lupenreine Kavaliersdelikte sind. Sie sind jetzt auch in Deutschland salonfähig.

Das kannte ich bisher nur aus den korrupten Ländern Südeuropas. Es gibt Formulierungen, die Indizien einer Straftat sind. „Das Geld für den Ferrari hat mir eine Tante geliehen“ und „persönlicher Freund“ sind zwei von ihnen. Als Journalist in der portugiesischen Hauptstadt staunte ich vor zwanzig Jahren erstmalig über diese im Süden weit verbreitete Wortkombination. Ein ehemaliger Minister sprach in einem Interview wiederholt vom Vorstandsvorsitzenden einer Bank, der sein „persönlicher Freund“ sei. In Portugal sind Korruption und kriminelle Vereinigung von Unternehmern, Bankern, Managern und Politikern jahrzehntelang kein Grund für einen Karriereknick gewesen.

Letzten Monat erst wurde publik, dass der langjährige Manager der vormals staatlichen Telekom vom Chef der Banco Espírito Santo („Heiliger Geist“) 18 Millionen Euro auf ein Privatkonto im Ausland überwiesen bekam – im Gegenzug konnte sich die marode Bank über die prallen Kassen der Telekom finanzieren. Beide, der Telekom-Manager und der Bankier, nannten sich in der Öffentlichkeit über die Jahre gegenseitig „persönliche Freunde“.

Der Ausdruck „persönliche Freunde“ bedeutet unter Männern in der oberen Wirtschafts- und Politikliga in etwa: „Mit ihm kann man Steuergelder zweckentfremden oder den Markt manipulieren.“ Die Herrenriege der Deutschen Bank zum Beispiel ist ein riesiges Netzwerk „persönlicher Freunde“ mit Kontakten, die in die US-Börsenaufsicht, nach Saudi-Arabien oder in das Finanzministerium in Berlin reichen. In der Politik sind Schröder und Putin „persönliche Freunde“. Manuel Barroso ist ein „persönlicher Freund“ von Lloyd Blankfein, dem Chef von Goldman Sachs.

Diese Männerfreundschaften haben nichts mit gemeinsamem Grillen am Wochenende zu tun, aber alles mit der wachsenden Ungleichheit in Deutschland. Eine auf Machenschaften spezialisierte Elite aus DAX, Politik und sogar Fußball-Zirkus bedient sich selbst, hält zueinander. Auch in schlechten Zeiten – dass jemand zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wird, ist die Ausnahme.

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