Unterwegs mit Stadtstreichern: Das nie gesehene London
Sie bringen Besuchern ihre Sicht auf die Stadt näher. Thema der Führungen ist die Geschichte der Bettler, Armen und Prostituierten.
Matthew Holgate kennt die Straßen der britischen Hauptstadt wohl besser als so mancher Londoner: Seit sieben Monaten sind sie, im Wechsel mit Obdachlosenheimen, sein Zuhause. Und seit ein paar Wochen ist er Fremdenführer bei der London Bridge Unseen Tour durch den Süden der Stadt.
Wilding ist schon seit einigen Monaten bei den Unseen Tours und begleitet den Neuling Holgate bei den ersten Schritten als Fremdenführer. Auch sie bewohnte hier jahrelang die Straßen. Insgesamt gibt es sechs Unseen-Tour-Stadtführer, die die Freiwilligen-Initiative Sock Mob wochenlang ausgebildet hat.
Der Sock Mob ist eine informelle Gruppe von Freunden, die seit 2003 einmal pro Woche mit Socken, Schlafsäcken und heißen Getränken beladen durch Londons Straßen zieht. "Wir hatten dabei nie ein bestimmtes Ziel, wie etwa, die Leute von der Straße zu holen", sagt Faye Shields, die sich vor einem Jahr dem Sock Mob angeschlossen hat.
Reservierungen unter (00 44) (0) 75 14 26 67 74 oder (00 44) (0) 75 14 26 67 75 www.sockmobevents.org.uk/ unseen-tour
Die Unseen Tours war ein Schritt, "durch den Obdachlose etwas Geld verdienen und etwas von sich selbst erzählen können", sagt Shields. Getestet hat der Sock Mob die Touren zum ersten Mal im Sommer 2009, seit Herbst 2010 sind sie fester Programmpunkt. Vier verschiedene anderthalbstündige Führungen gibt es. Teilnehmer zahlen zwischen 6 und 9 Euro, je nachdem, was sie sich leisten können.
Thema der Führungen ist die Geschichte der Bettler, Armen und Prostituierten. Holgate und Wilding flechten Insiderwissen ein: Er erklärt, dass die Bodenwellen vor einem Restaurant am Flussufer nicht Dekoration sind, sondern verhindern sollen, dass Obdachlose vor dem warmen Lüftungsstrahl ihr Lager aufschlagen. Sie erzählt, sie habe oft in der Nähe von Überwachungskameras geschlafen: "Da habe ich mich sicherer gefühlt."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!