Untersuchungen an Bremer Kogge: Alles klar, Schiff?

Ob die Bremer Kogge sich verformt, sollen Messungen im Deutschen Schifffahrtsmuseum Bremerhaven zeigen. Das Handelsschiff ist über 600 Jahre alt.

Vermessungsingenieurin Heidi Hastedt steht über einen Laptop gebeugt. Im Hintergrund sind ein wissenschaftlicher Mitarbeiter, Messinstrumente, und die Planken der Bremer Kogge zu sehen.

Vermessungsingenieurin Heidi Hastedt untersucht die Bremer Kogge auf Deformationen Foto: DSM / Helena Grebe

Sie gilt als weltweit am besten erhaltenes Handelsschiff aus dem Mittelalter: die Bremer Kogge. Mehr als 600 Jahre Geschichte stecken in dem Wrack, das 1962 in der Weser gefunden wurde und heute im Deutschen Schifffahrtsmuseum (DSM) in Bremerhaven steht. Hier sollen Vermessungen nun zeigen, ob sich das Exponat verformt. „Wir wollen die Bremer Kogge als Kulturdenkmal erhalten“, begründet DSM-Restauratorin Silke Wiedmann die Untersuchungen. Deformationen könnten zu bleibenden Schäden am Schiff führen.

Für die Vermessungen kooperiert das Museum mit dem Institut für Angewandte Photogrammetrie und Geoinformatik der Jade Hochschule (IAPG). Seit 2020 überprüft Vermessungsingenieurin Heidi Hastedt halbjährlich, ob sich die Schiffsform verändert. Es geht um Deformationen im Millimeterbereich: „Wir arbeiten im Bereich der industriellen Messtechnik, die eine hohe Präzision hat“, so Hastedt.

Wie für den Schiffstyp der Kogge üblich, wurde das Bremer Exemplar in Klinkerbauweise errichtet. „Das bedeutet, dass die Planken auf der Außenseite überlappt angeordnet sind – ähnlich wie Dachziegel“, sagt Wiedmann. Charakteristisch für den Schiffstyp sei auch der gerade Kiel. Koggen kamen zwischen dem 12. bis 15. Jahrhundert als Handelsschiffe der Hanse zum Einsatz. „Sie waren darauf ausgelegt, größere Waren zu transportieren“, so Wiedmann. Ihre bauchige Form habe sich dafür geeignet.

An jedem Untersuchungstermin führt Hastedt zwei Messungen an der Bremer Kogge durch – die des Ausstellungsraumes und die des Schiffes. „Damit können wir die Bewegung des Objektes innerhalb seiner Umgebung erfassen“, erklärt sie. Die Struktur der „Kogge Halle“ ermittelt Hastedt mithilfe eines Lasertrackers. In der Ausstellung können Besuche­r*in­nen das Exponat von drei Ebenen aus anschauen.

Verformungen schon in Vergangenheit aufgetreten

Für die Vermessung der Kogge hat Restauratorin Wiedmann 400 reflektierende Punkte am Wrack angebracht. Ihre genaue Position bestimmt Hastedt mittels Photogrammetrie, einem kamerabasierten Messverfahren. „Die Kogge ist das größte Objekt, mit dem ich bisher gearbeitet habe“, sagt Hastedt. Mit einer Länge von 30 Metern stelle das Schiff eine Herausforderung für die Messtechnik dar. „Die Vermessung der Kogge ist ein Pilotprojekt für das DSM“, so Wiedmann. Das Digitalisierungsteam des Museums habe bislang nur kleinere Objekte vermessen.

Am Computer kann Hastedt die 3D-Koordinaten der Messpunkte ermitteln. Grundlage dafür sind die aufgenommenen Bilder – etwa 1.200 pro Untersuchung. Die Ergebnisse vergleicht die Wissenschaftlerin mit denen aus vorherigen Messungen: Wenn sich die Koordinaten verändert haben, deute das auf eine Deformation der Kogge hin.

Derartige Veränderungen seien schon einmal an der Bremer Kogge aufgetreten, schildert Wiedmann. Der Schiffsrumpf habe sich vor einigen Jahren gesetzt und verbreitert. „Man hat bei der Aufhängung des Schiffes wohl unterschätzt, dass sich das Material nicht verhält wie frisches Holz“, so die Restauratorin.

Zusätzliche Stahlstreben stützen nun den aufgehängten Schiffsrumpf, der auf einer Seite gut und auf der anderen Seite weniger gut erhalten ist. Das Eichenholz des Schiffes stammt aus dem Jahr 1380. Sein Alter konnten Wis­sen­schaft­le­r*in­nen mittels Dendrochronologie erfassen, erläutert Wiedmann – einer Methode, bei der die Jahresringe im Holz untersucht werden. „Das Holz der Kogge war im Weserschlamm eingegraben und dadurch gut geschützt“, erläutert Wiedmann. Deshalb sei das Schiff trotz seines Alters so gut erhalten.

Nach dem Fund der Bremer Kogge habe es fast 40 Jahre gedauert, bis das Schiff im Museum gezeigt werden konnte. „Die Bergung war sehr aufwendig“, sagt Wiedmann. Taucher*innen, Tauchglocke und Bagger seien zum Einsatz gekommen, um die Schiffsteile aus der Weser zu heben. Zur Konservierung des Wracks sei ein eigenes Verfahren entwickelt worden: Über einen Zeitraum von 20 Jahren lag die Bremer Kogge im Konservierungsbecken des DSM.

„Eine Trocknung ohne Konservierungsstoffe hätte der Kogge geschadet“, betont Wiedmann. In diesem Fall wäre das eingelagerte Wasser verdampft und das Holz geschrumpft. Das Konservierungsmittel Polyethylenglycol sollte diesen Verfall verhindern – es ersetze jetzt das Wasser im Holz.

Spontane Ereignisse möglich

„Wir wollen durch die Messungen auch herausfinden, wie wir die Kogge bestmöglich unterstützen können“, sagt Wiedmann. Die aktuellen Untersuchungen könnten Hinweise darauf geben, ob die Kogge ein neues Gerüst braucht. Hastedt hat die ersten vier Messungen bereits ausgewertet. „Bisher gibt es keine deutlichen Veränderungen“, sagt die Vermessungsingenieurin. Die Unterschiede zwischen den gemessenen Koordinaten seien kleiner als anderthalb Millimeter. Sie lägen damit innerhalb des Bereiches der Messunsicherheit.

Offen sei jedoch noch, welchen Einfluss die Gezeiten auf die Messungen haben. Da das DSM auf einer Halbinsel steht, hebe und senke es sich mit dem Tidenhub. „Ob sich das Gebäude gleichmäßig bewegt oder nicht, ist aber noch nicht sicher“, so Hastedt.

Außerdem schließt die Wissenschaftlerin spontane Ereignisse nicht aus. „Es kann sein, dass die Kogge einen plötzlichen Ruck macht“, sagt Hastedt. In diesem Fall könnten die Messungen häufiger durchgeführt werden, vorerst bleibe es aber bei dem halbjährlichen Rhythmus. Das Projekt läuft noch bis 2025. „Ich plädiere aber für eine Verlängerung“, sagt Wiedmann – um das Schiff zu erhalten, sei eine regelmäßige Beobachtung wichtig.

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