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■ Unternehmen ZukunftPositiv und grotesk

Pünktlich zum Jahreswechsel hat es begonnen, das „ Unternehmen Zukunft“, das Heinz Dürr, Chef der alten und der neuen Bahn, versprach. Seitdem gehört die Deutsche Bundesbahn der Geschichte an. Die schwerfällige Behörde ist dem rationellen privatwirtschaftlichen Unternehmen gewichen. Wer jetzt in den Zug steigt, reist nicht wie bisher seinem Ziel entgegen, nein, er wird auch gleich zeitversetzt, zuschlagfrei.

Doch damit auch diejenigen, die den neuen Zug der Zeit nicht aufgrund eigenen Reiseerlebens erkannt haben, merken, daß sich bei der Bahn aber auch von Grund auf alles geändert hat, hat das Management mit der ihm zu Gebote stehenden Phantasie und Gestaltungskraft den Lokomotiven und Waggons ein neues Emblem verliehen.

Viel Arbeit war nötig, um die Folien mit dem alten Logo von den Zügen zu entfernen und durch Folien mit dem neuen zu ersetzen. Und es hat natürlich auch eine Kleinigkeit gekostet. Gute 30 Millionen Mark werden bahnintern genannt, doch im Angesicht des Ergebnisses darf man sagen: Es hat sich gelohnt.

Wer kennt es nicht, das alte Emblem in rot und weiß, auf der Nase eines jeden Zuges der Bundesbahn, die vertrauten zwei Buchstaben D und B im abgerundeten Rechteck? Damit ist es vorbei.

Von nun an prangt auf jedem Zug der Buchstabe D, gefolgt vom Buchstaben B, und zwar in weiß und rot, rechteckig umrahmt, mit elegant abgerundeten Ecken. Der gravierende Unterschied, der sich aber sofort ins Unterbewußtsein schleicht und dort festsetzt, erschließt sich der Betrachterin erst auf den zweiten Blick.

Und diese Veränderung gibt die Macher der neuen Bahn AG nicht nur als geschulte Tiefenpsychologen, sondern auch als Meister ihres Faches zu erkennen: Weiß hoben sich das D und das B bisher vom roten Untergrund ab, also negativ erschien die Schrift und wurde diesen Makel nie mehr los, der fortan auf dem Image lastete.

Ganz anders heute. Rot leuchten D und B der Bahnkundin von weißem Grund entgegen, also positiv. Das sitzt, das prägt sich ein und schafft Vertrauen in das neue Bahnzeitalter. Auf den dritten Blick des ausdauernden Beobachters läßt sich sogar ein gewisser Unterschied in den Schriftproportionen ausmachen.

Seinen deutlichen Ausdruck findet dieser radikale Neubeginn in der Beschneidung der altmodischen Serifen. Wiesen doch gerade diese kleinen, verräterischen Querstriche an Kopf und Fuß der Lettern die Schrift, das Erkennungszeichen und somit das ganze Unternehmen als betulich, behäbig, ja beamtenhaft aus. Alten Zöpfen gleich mußten diese Querulanten abgeschnitten werden.

Und überhaupt, diese alte Schrift! Antiquiertes „Antiqua“ war mit dem „Unternehmen Zukunft“ nicht zu vereinbaren. Ein Wermutstropfen trübt allerdings die schnörkellose Erscheinung der neuen Schrift, obwohl nomen hier nicht omen sein soll: „Grotesk“ ist ihr Name.

Trotz so geballten, revolutionären Erneuerungswillens müssen die Bahnreisenden nicht verunsichert sein, denn altbekannte Tugenden bleiben auch in diesen Zeiten der Aktiengesellschaft unverändert, speziell die bewährte Gründlichkeit. Wurde doch per Dienstanweisung verfügt, daß das alte, untaugliche Emblem durch das Personal vom bahneigenen Schreibwerkzeug zu entfernen sei.

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