: Unterm Strich
In regelmäßiger Folge beschickt uns ein bedeutender, in Berlin ansässiger Herrenausstatter („Sor“) mit theoretischen Breviers über Männerkleidung. Es hat schon Tradition, daß wir aus diesen stets liebevoll gestalteten, informativen Broschüren zur allgemeinen Weiterbildung der Wollsockenfraktion, die diese Zeitung nun mal liest, zitieren. Diesmal also über Socken:
1.Historie. „Die Kultur-Geschichte des Strumpfes hat sich mit der Hosenmode entwickelt. Das Zusammenspiel von Strumpf und Hose prägt die Evolution der männlichen Beinbekleidung. Auch die Wortgeschichte verdeutlicht diesen Zusammenhang. Der Begriff ,Strumpf‘ im Sinne von ,Stumpf‘ und ,Rumpf‘ bezeichnet erst seit dem 16.Jahrhundert das untere Stück der als Ganzes gearbeiteten Beinbekleidung (Hose). Der Wadenstrumpf (,soccus‘) entwickelt sich im 7.Jahrhundert aus den Wadenwickeln der Germanen.“
2.Materialien. Dies zur Belehrung der besagten Fraktion: „Nur die strapazierfähige Wolle des Merino-Schafes ist für den stark beanspruchten Strumpf wirklich geeignet. Andere Wollsorten, zum Beispiel Alpaca, sind zu weich und zu flauschig in ihrer Konsistenz. Mit ,Super 100‘ werden die hochwertigsten Merino-Wollsocken bezeichnet.“ Als weitere Materialien werden in dem Brevier Seide, das hochempfehlenswerte, nicht ganz billige Kaschmir („nicht besonders strapazierfähig, jedoch äußerst tragekomfortabel“) und Polyamid genannt, das — so der Herrenausstatter — zu tolerieren ist, wenn es als Beimischung das Kschmir ein wenig haltbarer macht und von der Naturfaser ummantelt ist, so daß die Haut nicht direkt mit der Kunstfaser in Berührung gerät.
Uns persönlich am sympathischsten ist aber die Baumwollsocke. „Hochwertige Baumwollsocken werden aus Karnak-Zwirnen gefertigt. Karnak ist ein Bezirk in Oberägypten. Hier wird aufgrund der klimatischen Vorzüge eine der hochwertigsten Baumwollen weltweit produziert.“ „Wolle“, so das Resümee des Material-Kapitels, „ist wärmender als Baumwolle; Baumwolle langlebiger als Wolle und strapazierfähiger als Seide und Kaschmir. Das Wärmeverhalten des Strumpfes wird nicht durch die Dichte des Materials, sondern durch das Maschenbild bestimmt.“
3.Farben und Dessins. „Bereits 1744 formuliert Zedler in seinem Universallexikon den Grundsatz, daß die Strumpffarbe mit der des Tuches übereinkommen sollte. Der Strumpf sollte dunkler sein als die Hose. Je offizieller der Anlaß, desto dunkler die Socke.“
4.Formen und Rippen. „Entsprechend der Schaftlänge werden Kurzsocke (15cm), Fesselsocke (29cm), Wadenstrumpf (38cm) und Kniestrumpf (über 50cm) unterschieden.“ Ganz wichtig: Socken sollten immer so hoch sein, daß im Sitzen bei übergeschlagenen Beinen kein Stück von der Haut und deren garstiger Behaarung zu sehen sein darf! Zu der Sockenrippung ist nur soviel zu sagen: „Der eleganteste Strumpf ist der rein links gestrickte (nur linksseitige Maschen) ohne Rippen. Je breiter die Rippen, desto sprortlicher der Strumpf.“ Weitere lesenswerte Kapitel widmet das Socken-Brevier den Fragen der Verarbeitung und der Pflege.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen