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Unterm Strich

Unter einem etwas kryptischen Titel wollen sich bald wieder die Nietzsche-Forscher in Weimar treffen: „Entdecken und Verraten“ heißt die Tagung, die von der Stiftung Weimarer Klassik vom 20. bis 22. Mai dort ausgerichtet wird. Geladen: Literaturwissenschaftler Karl Heinz Bohrer (Paris), die Philosophen Wolfgang Welsch (Magdeburg) und Andrea Orsucci (Pisa), die Religionswissensschaftlerin Evelyne Goodmann-Thau (Halle/Jerusalem) sowie weitere Referenten aus fünf Ländern.

Ein neues Gesetz könnte bald dazu führen, daß solche Tagungen in Frankreich nicht mehr möglich sind. Wie das? Nun, nach einer Vorlage des Kulturministers Jacques Toubon, die in der Nacht zum Donnerstag in erster Lesung von der Nationalversammlung angenommen worden ist, könnten bald schon rigide Vorschriften zum Schutz der französischen Sprache greifen: Französisch wird nicht nur für gesprochene und gedruckte Werbung sowie für alle Rundfunk- und Fernsehsendungen zur Pflicht. Der Text verbietet auch allen Behörden und Personen mit einem öffentlichen Auftrag die Verwendung von Markennamen, die einen fremden Ausdruck oder Begriff enthalten. Die Bezeichnung „Le Shuttle“ für die Pendelzüge der Eurotunnel-Betreibergesellschaft wird ebenso geächtet wie das Fehlen von Akzenten bei der „Telecom“. Geahndet wird die Verletzung der Regeln mit dem Entzug von Subventionen sowie Geldbußen zwischen 1.000 und 20.000 Franc (300 bis 6.000 DM). Soweit, so borniert. Der Hammer, the hammer – le marteau – ist aber folgende Klausel: Künftig dürfen von Franzosen auch keine Kongresse organisiert werden, „ohne daß das Französische bei den Vorträgen und Debatten verwendet werden kann“. Diese Bestimmung löste naturellement Proteste der Akademie der Wissenschaften aus, die darin eine „Gefahr für die französische Wissenschaft“ sieht. Es könnten dann in Frankreich praktisch keine internationalen Wissenschaftlerkongresse mehr stattfinden.

In Spitzenform präsentierte sich Günter Grass, neuerdings Wunderheiler, am Donnerstag abend anläßlich der Verleihung des Großen Literaturpreises der Bayerischen Akademie der Schönen Künste in München. Grass nutzte die Gelegenheit zu einem Angriff auf die „Vorherrschaft des Sekundären“ in unseren Tagen. Darunter versteht der Große Mahner vor allem die zirkulierenden Stasi-Akten: Weil nicht vom Primären geredet werden soll, von der Arbeitslosigkeit, von der gescheiterten Einheit, werde „sekundäres Gift“ in Umlauf gebracht. Die Rettung: mehr Grass lesen. Daß Bücher auch zum Heilungsprozeß beitragen können, sei ihm in Leserbriefen aus Krankenhäusern bestätigt worden. So hätten sich Leser mit Hilfe seines Romans „Der Butt“ „über langwierige Heilungsprozesse hinweggebracht“. Günter, sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund!

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