: Unterm Strich
Schrecksekunde auf RTL: Christian Anders, wie bereits berichtet Bruder des mit Falschgeld erwischten Trans-Europa-Abgeordneten Schinzel, betritt in der Montagssendung der Nachtshow die Bühne – mit Matte und Gurutoga und so (ist ja seit längerem auf dem Eso- Trip). „Alles Lüge!“ verkündet er dem Studiopublikum und uns da draußen, um dann ein Exemplar seines neuesten Meditationsgedankenbüchleins aus dem Wallewalletuch zu zaubern und die schwere Stunde seines Bruders für ein kleines Produkt-Placement auszunutzen. Also das hat uns abgebrühte Brüder hier doch irgendwie geschockt.
Schrecksekunde auf MTV: Mitten in der Nacht – gerade eben liefen noch die Brit-Raver von den Inspiral Carpets in Weltraumanzügen durch Houston, Texas – bricht plötzlich der Videoclip ab, und nach einer kurzen schwarzen Pause erscheint Herbert Grönemeyer auf dem Bildschirm. Mit neuer hochrasierter und das Deckhaar lang nach hinten legender Wave-Frisur, Augenringen und einer auffällig roten Jacke – so eine Art streetfighting man. Hinter ihm türmen sich Reihen von Fernsehmonitoren. Es sieht aus wie in der Schaltzentrale einer modernen Techno-Diktatur. Bange Fragen schließen sich an: Sind die Kinder jetzt an der Macht? Oder Zoo-TV? Wird Wim Wenders der neue Bundespräsident? Dann hätte das Grauen einen Namen. Grönemeyer wirkt jedoch eher ruhig. Das hier sei ein Werbespot, und er wolle nur mal das sagen, was ihm schon länger am Herzen läge, und das sei, daß Du, nein ich, jetzt, wo das alles nach rechts rutscht und wir da in letzter Zeit alle ganz schön hilflos waren, na jedenfalls – weehlen geehen, Pro Choice eben. Grönemeyer steht mit dieser Message nicht allein da. Immer mehr Menschen aus Kultur und Lifestyle engagieren sich für den Ernstfall: auf Stimmjagd für den roten Oktober.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen