: Unterm Strich
Während die übrigen Europäer noch schliefen, haben die Schweden in Sachen Taslima Nasrin schon ein enormes Engagement an den Tag gelegt. Oder vielmehr: Sie haben es eben nicht an den Tag gelegt, sondern hinter den Kulissen alles Menschenmögliche getan, um zu helfen. Ohne die skandinavischen Initiativen, vor allem aus Schweden und Norwegen, wäre der „Fall“ Nasrin nicht so glimpflich abgegangen. Nasrin hat wohl daran getan, Schweden als Exilland zu wählen. Hier ist man offenbar entschlossen, sie nicht einfach ins Nichts fallen zu lassen, und wählt nun eine Geste, die treffender kaum ausfallen könnte: Morgen wird Taslima Nasrin den mit 150.000 Kronen (etwa 34.500 Mark) dotierten Kurt-Tucholsky-Preis erhalten. Er soll ihr von Kulturministerin Birgit Friggebo und Außenministerin Margaretha af Ugglas in Stockholm überreicht werden. Es hat seinen guten Sinn, daß dieser Preis in Schweden vergeben wird. Dort hatte Tucholsky schon lange gelebt und gearbeitet, bis die Nazis aus seiner Wahlheimat durch Ausbürgerung ein Exil machten. Und natürlich hat es seinen guten Sinn, daß Taslima Nasrin diesen Preis erhält, der nach einem Schriftsteller im Exil benannt ist, der wie sie als Journalist, Polemiker und Romancier hervorgetreten ist. Der Preis wird von schwedischen PEN-Zentrum gestiftet. (Warum haben wir eigentlich nichts dergleichen? Warum hat sich unser PEN-Club im Fall Nasrin – anders als bei Rushdie – nicht zuständig gefühlt?) Taslima Nasrin hatte Anfang August in einem persönlichen Brief an Ministerpräsident Carl Bildt um eine Aufenthaltsgenehmigung gebeten. Seit letzter Woche hält sie sich an einem geheimgehaltenen Ort in Schweden auf. Bei der Verleihung des Tucholsky-Preises will sie nun zum ersten Mal öffentlich auftreten. Wie der PEN-Vorsitzende Gabi Gleichmann sagte, soll das Preisgeld der Schriftstellerin „Arbeitsruhe“ für literarische Aktivitäten verschaffen. Wie lange Nasrin in Schweden bleiben werde, sei völlig offen, ebenso, ob Nasrin, die derzeit Gast des PEN-Clubs ist, Asyl beantragen wird. Nasrin prüft momentan die englische Übersetzung ihres Romans „Lajja“ (Schande), der den Zorn der Fundamentalisten besonders erregt hatte. Gegenüber Gabi Gleichmann erklärte sie, die Übersetzung mißfalle ihr und sie wolle eine Überarbeitung, bevor das Buch nochmals aufgelegt werde.
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