piwik no script img

Unterm Strich

An jenem Tag wurde ein Team von Männern aufgestellt, um die Mächte des Bösen zu bekämpfen. Und „Jetzt“, das Jugendmagazin der „Süddeutschen“, entsandte einen Reporter nach Babylon Berlin, um mit der Siebenschwänzigen auf die Siebenköpfige einzuschreiben. „So ist das in Berlin!“ heißt das Ergebnis, ein literarischer Autocorso vom Ku'damm über Moabit zum Kottbusser Tor und zurück. Janz schöne Elendssause: Messerstecher, Putzfrauen, „Türkenpenner“, Freakadellen und Buletten, Döner essende „Türken- Homeboys“, „ein fettes Schwein in Windeln“, „ein Pickliger mit Glatze“, „ein Langhaariger im Schneidersitz“, ein kleiner grauer Mann, der immer „Jamjamjam!“ murmelt, sensationell verwahrloste Punks und gefallene Mädchen auf der „Elendslinie“ U1. „Am Bein kleben Blut und Straßendreck, im Gesicht Spucke und Fischsemmelbrocken ...“ (aaah!) „Die Frau hält sich an den Halteschlaufen fest ...“ (neeiiiiin!) „Die Frau faßt sich mit der Fischsemmelhand an die Kehle. Sie zieht die Haut vom Kehlkopf weg ...“ (aufhören, aufhören!). Mensch, Jugendmagazin „Jetzt“, daß es schlecht steht hier, haben wir uns gedacht, aber so schlimm ... Wir kratzen uns den Grind von der Stirn und gehen zum Italiener.

Wo bleibt das Positive? Das Frontstadterbe? Reinhard Mey z. B. hat sich nach „Über den Wolken“ einen neuen Popularhit ausgedacht. „Lilienthals Traum“ heißt er, wurde am Tag, als der Papst in Berlin war, aufgenommen und ist außerdem ein erfüllter Traum: Das Backing stammt von den Berliner Philharmonikern. Refrain der Aufnahme: „Du kannst fliegen, ja, du kannst!“ Doch damit nicht genug! Beim Open- air-Bardentreffen im bayerischen Staffelstein wird Mey zusammen mit der Gruppe Breaking Free seines 19jährigen Sohnes Frederik den „bissigen Song“ (dpa) „Sei wachsam“ im „HipHop-Stil“ (dpa) präsentieren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen