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Unterm Strich

Können Reformen verunglimpft werden? Die von den deutschsprachigen Ländern zur Begleitung der neuen Rechtschreibung eingesetzte zwischenstaatliche Kommission meint: ja, und hat sie umgehend zurückgewiesen. Nach einer zweitägigen Arbeitssitzung in Mannheim erklärte die Kommission, sie wende sich nachdrücklich gegen verzerrende Darstellungen der neuen Rechtschreibregeln durch Kritiker der Reform. In der Auseinandersetzung um die neue Orthographie würden auch falsche Beispiele genannt, die lediglich der Polemik dienten. Als Beispiel für falsche Angaben über die neuen Regeln nannte die Kommission von Kritikern aufgeführte Trennungen wie kus- secht und der Misss-tand, die unsinnig seien. Richtig werde nach den neuen Regeln kuss-echt und Miss- stand getrennt. Die Kommission unter dem Vorsitz von Prof. Gerhard Augst (Universität Gesamthochschule Siegen) betonte zugleich, daß sie jede sachliche Kritik ernsthaft prüfe und alle Einwände und Differenzen behandle. Aufgabe der Kommission sei es, die Einführung der Reform zu begleiten und dabei auftretende Probleme zu klären. Eine erste Analyse habe gezeigt, daß sich viele in der Öffentlichkeit diskutierte Probleme nicht aus neuen Regeln, sondern unterschiedlichen Darstellungsweisen und Mißverständnissen ergäben. Also schön weitersprechen und Mißverständnisse beheben, wo immer ihr sie trefft. Dazu noch ein musikalischer Gruß. Ein Stück über die Unfähigkeit zur Verständigung zwischen Frauen und Männern, von der Liebesunfähigkeit, ist Detlef Heusingers Musiktheater „Babylon“, das bei den Schwetzinger Festspielen im Rokoko-Theater des Schwetzinger Schlosses uraufgeführt wurde. Es handelt vom Ende der Illusionen, von dem Nichtvorhandensein von Illusionen, heißt es im dpa-Trailer.

Im Alter von 88 Jahren ist am Samstag in der Nähe von Paris Jacques Canetti gestorben, eine der bekanntesten Figuren der französischen Chansonszene. Dies teilte seine Familie am Sonntag mit. Der Bruder des Literaturnobelpreisträgers Elias Canetti galt als Entdecker und Förderer von Jacques Brel und Georges Brassens. 1947 gründete er das „ThéÛtre des Trois Baudets“ in Paris, das neben Brel und Brassens auch Juliette Greco und Serge Gainsbourg zum Durchbruch verhalf. Bis in die frühen 60er Jahre war er künstlerischer Direktor des Musikverlags Polydor- Philips. Geboren wurde Canetti am 30. Mai 1909 in Bulgarien. Die Familie wanderte früh nach England und später nach Wien aus. In Frankreich studierte Canetti schließlich Betriebswirtschaft. 1935 begann er mit der Arbeit bei der Plattenfirma. Das „ThéÛtre des Trois Baudets“ verkaufte er 1967. Heute ist das legendäre Chansontheater eine Nacktbar. 1978 veröffentlichte Canetti seine Memoiren unter dem Titel „Cherché Jeune homme aimant la musique“ („Junger Mann gesucht, der die Musik liebt“).

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