: Unterm Strich
Die Mahnmalsdebatte befindet sich augenblicklich in einer Phase des Grummelns in mittleren Frequenzbereichen. Flotte Sätze wie dieser erzeugen Pegelausschlag. „Herr Diepgen ist nicht Friedrich der Große und auch nicht das Land Berlin“, findet die Mitausloberin für ein Mahnmal für die ermordeten Juden Europas, Lea Rosh, und reagierte damit auf die Aussage Diepgens, in der er den laufenden Wettbewerb für das Mahnmal für gescheitert erklärt hat. Rosh, Sprecherin des Förderkreises für das Mahnmal, der neben dem Bund und dem Land Berlin einer der drei Auslober des Wettbewerbs ist, meinte, daß notfalls auch eine 2:1-Entscheidung im Ausloberkreis denkbar sei. „Ein Mahnmal wird es auch ohne Herrn Diepgen geben, aber wir würden es bedauern, wenn Berlin aussteigt. Dies wäre auch eine neue Lage.“ Rosh bezweifelte auch die Korrektheit der Vorgehensweise Diepgens, der sich im übrigen für seine Haltung erst noch eine Mehrheit in seinem Senat suchen müsse. „Er kann gar nicht aussteigen“, meinte Lea Rosh und erinnerte an den Beschluß des Berliner Abgeordnetenhauses, der ausdrücklich den Bundestag in der Mahnmalfrage angerufen habe. Sie warf Diepgen vor, das Mahnmal von Anfang an nicht gewollt zu haben. „Er hat es torpediert, wo er nur konnte, und wir haben goldene Brücken gebaut noch und noch.“ In den nächsten Tagen wird es nach Rosh' Worten zu einem Treffen der Auslober kommen, über das sie sich mit dem Berliner Kultursenator Peter Radunski, einem Befürworter des Mahnmals, noch verständigen wolle.
Wo wir gerade beim großen Berliner Symbolwollen bzw. Nichtwollen sind: Der Berliner Senat wird voraussichtlich erst im Jahr 2001 über die künftige Nutzung des Schloßplatzes entscheiden. Schnellschüsse werde es nicht geben, sagte Stadtentwicklungssenator Peter Strieder dem Fernsehsender TV Berlin. Wie der Sender am Samstag mitteilte, soll bis zum Sommer kommenden Jahres über Nutzung, Finanzierung und bauliche Form des Platzes in Berlin- Mitte debattiert werden. Erst nach einem Bauwettbewerb im Jahr 2001 könne entschieden werden, „ob das alte Stadtschloß wieder aufgebaut wird oder ob es eine neue Architektur gibt, die auch auf so große Akzeptanz stößt wie das Schloß“. Äußerungen von Bundeskanzler Gerhard Schröder für einen Wiederaufbau des Hohenzollernschlosses hatten kürzlich die Debatte um das historische Zentrum der Hauptstadt neu entfacht. Auf dem Schloßplatz steht der 1990 wegen Asbestverseuchung geschlossene DDR-Palast der Republik noch immer ganz vorwurfsvoll und trotzig, aber überflüssig vor sich hin. Das Stadtschloß war 1950 auf Anweisung von SED-Chef Walter Ulbricht gesprengt worden. Hätte der Mann mit dem Spitzbart dieses erhöhte Diskursaufkommen geahnt, vermutlich hätte er noch ein paar Dynamitrollen zusätzlich draufgepackt.
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