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Unterm Strich

Gut 30 Jahre lang hat sich die Bestsellerliste des Spiegel als Orientierungsmarke in der Veröffentlichungsflut der Verlage gehalten. Doch dieses Deutungsmonopol droht das Magazin noch in diesem Jahr zu verlieren. Seit Jahresbeginn versucht der Konkurrent Focus, mit einer eigenen Liste Fuß zu fassen. Focus wollte die Konkurrenz mit einer erstmals auf tatsächlichen Verkaufsergebnissen basierenden Liste vor allem in puncto Zuverlässigkeit und Aktualität schlagen. Die Focus-Liste wird vom Marktforschungsunternehmen Media Control in Baden-Baden erstellt, die ihre Daten täglich von Scanner-Kassen in über 400 Bücherverkaufsstellen abruft.

Die Focus-Liste sei zwar ein Fortschritt gegenüber der bisherigen, vom Branchenblatt Buchreport des Harenberg-Verlags in Dortmund erhobenen Bestsellerliste des Spiegel, meint der Sprecher des Deutschen Börsenvereins, Eugen Emmerling. Doch eine zuverlässige Bestsellerliste dürfe „nicht nur auf den Angaben einiger weniger 100 Buchhandlungen beruhen“. Neutral ist der Börsenverein in dieser Frage allerdings nichtder Dachverband der Gesamtbranche will auf der Leipziger Buchmesse mit der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) eine eigene Bestsellerliste vorstellen. Diese quasi offizielle Aufstellung soll die beiden Bestsellerlisten von Focus und Spiegel ganz überflüssig machen. Erfasst werden sollen bundesweit rund 500 Buchhandlungen, 400 Kaufhäuser, gut 200 Bahnhofsbuchhandlungen sowie der Versand- und Onlinehandel – eine flächendeckende und repräsentative Marktbeobachtung im Buchhandel, wie der Börsenverein meint. Einziger Nachteil: Erste stabile Ergebnisse werden erst in der zweiten Jahreshälfte erwartet. Bis zum Jahresende soll das Projekt aber stehen.

Die Spiegel-Liste, die den Streit ausgelöst hatte, basiert bisher auf Vorschlagslisten, in denen der Buchhandel die seinem Eindruck nach am häufigsten verkauften Bücher ankreuzt und die Ergebnisse per Post zurückschickt. Ratgeber, Koch- und Kinderbücher werden gewöhnlich aussortiert. Seit Jahrzehnten werden die Spiegel-Listen wöchentlich bundesweit verbreitet. Spiegel-Kulturchef Schreiber räumt nun „Schwachstellen“ im System ein – so könnten Buchhändler Titel vermerken, die sie in großen Mengen eingekauft, aber noch nicht abgesetzt hätten. Künftig will man ebenfalls eine auf Kassenergebnissen beruhende Liste vorlegen. Für die neue Spiegel-Liste sollen „über 200 Unternehmen“ erfasst werden, die Auswahl solle regional gewichtet werden. Starttermin für die neue Liste ist der Mai.

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