■ Unter den Linden: Knalltütensuppe, italienisch
Enrico Pavarotti ist der Held am Herd. Sein Lokal „Casarotti“ gilt als Hort feiner italienischer Speisen. Seine Frau Isolde sagt, der Maestro des Rührlöffels habe „drei Diplome und mehrere Auszeichnungen“. Seine Preise sind gepfeffert und gesalzen. Die Begründung dafür liefert Enrico gern: „Essen bei uns teuer; ja, aber Miete für Lokal ist auch hoch!“ Obacht, das stimmt einen mißtrauisch. Er sagt ja nicht: „Muß habe molto Personal für Verwöhnen Gast.“ Oder etwa: „Iche nur beste Olio von Liguria und mache Pasta von Hand; das viel Lire, viele Arbeit.“ Nein, die Miete soll's sein, wofür die Kundschaft in die Tasche greift.
Für die Grundprodukte seiner Gerichte jedenfalls braucht Enrico Pavarotti das Geld nicht, soviel steht nach der Lektüre seiner Rezepte fest. Macceroni ai salumi köchelt er im wesentlichen aus 200 Gramm nicht konzentriertem Tomatenmark und einer Tasse Würfelbrühe zusammen. Seiner Pasta mediterranea gibt er – kein Witz! – mit 60 Gramm Milchpulver geschmacklichen Feinschliff. Und die Pizza ai frutti di mare veredelt der Liebhaber des Tomatenmarks neben einigen Muscheln mit gleich 300 Gramm der roten Creme aus der Tube.
Mamma mia! Dieser Pavarotti ist ein gastronomischer Wegelagerer, der seine Pizzarezepte tatsächlich mit dem Tip „45 Minuten + Teigauftauzeit“ versieht. Es genügt, sich das scheußliche Wort „Teigauftauzeit“ auf der Zunge zergehen zu lassen – ein Appetitzügler (Ha! Noch so ein scheußliches Wort!) erster Güte.
Pavarotti, du Topfteufel! Was heißt Knalltütensuppe auf italienisch? Schreibst du nicht selbst von der Oma, die den Buben Enrico Mozzarella mit den Fingern in Stücke reißen ließ? Ach, gäbe es eine bessere Lehrwerkstatt als Großmutters Küche? Nein, aber der kleine Enrico hat nicht recht aufgepaßt, und dafür müssen jetzt die Käufer seines Kochbuchs büßen. Weit besser wär's, Else Kling würde einen zum Schweinsbraten einladen. Zwar gilt die Hausmeisterin als giftiger Drachen, aber ihre Krautknödel („Roggenbrot, Schmalz, Speck ...“) sind einen Versuch wert. Wie aber schmeckt „Hans Beimers Super-Extra-Vanillepudding mit Spezialklumpen“? Na ja. Es ist ja auch das „Lindenstraße Kochbuch“ keins, mit dessen Hilfe vernünftiges Futter auf den Teller soll.
Es führt vielmehr mit Zitaten und Bildern durch die Schrecknisse der Familien Zenker und Sperling, Griese und Kling und bietet dem Kochwilligen immerhin charmante Dialoge wie diesen:
Amelie von der Marwitz: „Ich erinnere mich nämlich noch wie heute, daß auch mein Hannes eines Tages den eigenartigen Geschmack des Essens bemängelte.“ Franz Wittich: „Und?“ Amelie: „Drei Wochen später war ich Witwe.“
So ist das also: ein bißchen Augenzwinkern, ein paar passable Rezepte, viel Nostalgisches für Fans der Serie; aber immerhin auch die Erkenntnis, daß Essen mehr ist als nicht Verhungern: „Ich habe nie behauptet, daß es Liebe auf den ersten Blick war“, so erinnert sich Helga Beimer, „aber dieses Maultauschengericht hat mich und meinen Mann immerhin durch ein Vierteljahrhundert begleitet.“
Logisch, daß einem auch hier der Pizza- und Pastameuchler Pavarotti wieder unterkommt. Ein gewisser Zorro, ist zu lesen, würde ihn mit Spitznamen „Parmesello“ nennen. Er meint sicher das stinkende Pulver aus der Dose. Herr Thömmes
„Mein Leben, meine Küche. Guido Gagliardi verrät Rezepte von Enrico Pavarotti“. Zambon-Verlag, 134 Seiten, 29,80 (Tomaten-)Mark.
„Das Lindenstraße Kochbuch“. Weingarten-Verlag, 64 Seiten, 19,80 Mark.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen