■ Unter Sparzwang folgt die Kultur- der Geopolitik: Kultur für – fast – alle?
Hilmar Hoffmann ist – unbestritten auch von seinen Gegnern – der Kulturmanager, der das Kulturverständnis der Bundesrepublik am nachhaltigsten geprägt hat. Er hat die Oberhausener Kurzfilmtage gegründet, das „Kommunale Kino“ erfunden, als Kulturreferent in den fetten siebziger und achtziger Jahren die Stadt Frankfurt mit acht Museen gespickt und war Leiter der „Stiftung Lesen“. Eben noch hatte er den Olympia-Planern beim Kulturprogramm sekundiert, da bot sich auch schon eine Spitzenposition, von der er bequem auf sein Lebenswerk würde zurückschauen können: Hilmar Hoffmann wurde Präsident der Goethe-Institute, deren Aufgabe bekanntlich die Förderung der deutschen Sprache, die Repräsentation der deutschen Kultur im Ausland ist.
Allein, aus dem beschaulichen Lebensabend in kulturpolitischer Höhenlage wird wohl nichts. Denn just in dem Augenblick, da Hoffmann auf dem Präsidentensessel Platz genommen hat, werden den Goethe- Instituten im Zuge der allgemeinen Sparmaßnahmen des Bundes 50 Millionen Mark gestrichen. Das ist ein harter Schlag, selbst wenn es Hoffmann in seiner bekannten Betriebsamkeit gelingen sollte, mit Hilfe von privaten Sponsoren hier und da die Ausfälle aufzufangen. Die spezielle Ironie der Lage ist: Hoffmann muß nun selber an höchster Stelle die Demontage jenes Credos betreiben, mit dem er berühmt geworden ist – von der „Kultur für alle“ zu einer Kultur für einige.
Für wen denn nun? Man beabsichtigt, die Gewichte in der kulturellen Selbstdarstellung des neuen Deutschland zu verschieben. „Schmerzliche Streichungen“ werden vor allem für die Institute in den Ländern der Dritten Welt angekündigt. Brasilien (sieben Institute) und Indien (sieben Institute) stehen ganz oben auf der Kürzungsliste. Die neue Aufgabe besteht nun, nachdem die ehemals Zweite Welt uns so nahe auf den Leib gerückt ist, daß uns die Dritte kaum noch interessieren kann, in der „unausweichlichen Auffüllung des Vakuums im Osten“: Die Kulturpolitik fügt sich unterm Sparzwang der neuen geopolitischen Lage. 9,2 Millionen Schüler haben sich angeblich allein in der russischen Konföderation für den deutschen Sprachunterricht angemeldet. Was die Rede vom Vakuum unterschlägt: Unter der Regie der Herder-Institute der DDR wurden tonnenweise Bücher ostwärts verfrachtet. Schwer vorzustellen, daß die Kulturfunktionäre nun so ganz ohne mulmiges Gefühl die kulturpolitische Lücke füllen werden, die mit dem Ableben der DDR aufgerissen ist. Es ist ja schön und gut, wenn die da drüben im kaputten Imperium alle Deutsch lernen wollen. Was aber, wenn sie dann auch die begreifliche Lust packt, ihre Fähigkeiten mit Muttersprachlern zu erproben? Jörg Lau
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