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Interview: Hans-Joachim WidmannUnter Bettlern

■ FDP-Chef will Betteln besteuern

taz: Wir wähnten uns im Glauben, die FDP sei ausgezogen, die Menschheit vom Würgegriff der Steuern zu befreien. Jetzt schlagen Sie vor, eine neue Steuer einzuführen: Die Bettler-Steuer. Wie konnte das passieren?

Hans-Joachim Widmann: Es ist ein Irrtum der Journalisten, daß es sich um eine neue Steuer handelt. Gewerbsmäßiges Betteln ist schon seit Jahren steuerpflichtig.

Und wie wollen Sie „gewerbsmäßiges Betteln“ von anderem unterscheiden?

Es hängt davon ab, ob man in akuter Notlage bettelt oder ob man es zur Gewinnerzielung betreibt. Darüber hat noch niemand so richtig nachgedacht. Die Leute finden die Bettler-Steuer absurd, aber dafür kann ich ja nichts.

Sie sagen, 200 Mark kann man am Tag durch Betteln erwirtschaften. Jetzt trage ich mich mit dem Gedanken, ob ich angesichts eines Netto-Monatsgehalts von 6000 Mark nicht den Beruf wechseln sollte. Kann ich mich auf Ihre Zahlen verlassen?

Also, um 200 Mark zu erbetteln müssen Sie schon etwas leisten. Man kann sich nicht einfach nur hinsetzen. Daß das nicht viel bringt, haben Ihre Journalisten-Kollegen im Selbstversuch herausgefunden und veröffentlicht. Man muß bestimmte Fähigkeiten entwickleln. Und ich unterscheide sehr wohl zwischen Profis und psychisch labilen, etwa drogensüchtigen Bettlern, denen geholfen werden muß.

Viele Bettler sind obdachlos. Wohin wollen Sie deren Steuerbescheid eigentlich schicken?

Die professionellen Bettler schlafen nicht unter der Brücke, die haben das gar nicht nötig.

Sind Sie in der Kirche?

Ja, ich bin Protestant.

Ihre Bischöfin Maria Jepsen würde Sie dann sicher gerne darauf aufmerksam machen, daß Betteln in der Bibel geehrt wurde.

Das soll mir Frau Jepsen anhand des Neuen Testaments erst einmal nachweisen. Jesus hat jedenfalls nicht gebettelt.

Fragen: Silke Mertins

Siehe auch Bericht unten

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