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Untenrum frei

Marlene Dumas‘ Gemälde „Miss January“ hat bei Christie‘s einen Höchstpreis erzielt: 13,6 Millionen Dollar. Der Rekord begründet eine kleine Tradition

Frei und hairy: „Miss January“ von Marlene Dumas Foto: John Angelillo/imago

Von Sophie Jung

Diese rotzig-nackte Blonde von Marlene Dumas ist vom Kunstmarkt zur Ikone erklärt worden. Spätestens als das prominente US-Sammlerpaar Mera und Don Rubell sie kürzlich zur Auktion freigab. Die Rubells haben sich mit gutem Gespür für Kunst und ihre Wertsteigerung aus einem übersichtlichen Familienvermögen ein Sammlerimperium mit Privatmuseen in Washington, D. C. und Miami aufgebaut, Kunstwerke aus ihrem Besitz haben eine „exzellente Provenienz“.

So auch die „Miss January“ von Marlene Dumas. Und das Auk­tions­haus Christie’s bestimmte sie zum Magnum Opus der südafrikanischen Künstlerin. Wohl auch, weil man beim Kauf von Kunst in Zeiten von Rezension und Trump’scher Zollwillkür lieber auf Heiligerklärtes statt auf Unsicheres setzt. „Miss January“ erzielte jetzt am 14. Mai bei der Frühjahrsauktion in New York einen Rekordpreis. Für 13,6 Millionen Dollar ging sie an einen anonymen Bieter. Der bislang höchste Preis für das Werk einer noch lebenden weiblichen Künstlerin.

Ein bisschen wie Courtney Love sieht Dumas’ „Miss January“ aus. 1997, als das monumentale Gemälde entstand, war die Rocksängerin, Kurt-Cobain-Witwe und Antiheldin in den Medien eine präsente Figur. Wie ihr die Ponyfrisur an die dunkel umrandeten Augen fällt, den großen Mund umrahmt. Ihre Nacktheit: rockig. Oben enges Shirt, untenrum frei und hairy, ein roter Kniestrumpf ist ihr bis an den Fußknöchel gerutscht. Das ist lässig, nicht so düster psychologisch wie manch andere Malereien von Marlene Dumas.

Die 1953 in Kapstadt geborene und seit 1977 in Amsterdam lebende Künstlerin reiht „Miss January“ in eine ganze „Miss“-Serie ein, von der „Miss World“ zur „Misinterpreted“, immer die Darstellungen des weiblichen Körpers auslotend, ihre Stereotype unterwandernd.

Ein bisschen wie eine lässige Courtney Love sieht Dumas’„Miss January“ aus

Kunsthistorisch steht die „Miss January“ in der Linie der feministischen Figuration der 1990er Jahre, auf dem Kunstmarkt aber begründet sie nun eine – na ja, vielleicht doch etwas fragwürdige – Tradition: die der nackten Rekordbrecherinnen. Bislang hatte nämlich „Propped“, das rigorose Selbstporträt als Akt der Britin Jenny Saville, mit 12,4 Millionen Dollar den Höchstpreis einer lebenden Künstlerin erzielt.

Das ist alles aber noch ziemlich weit von dem entfernt, was sich auf dem Terrain der männlichen Gegenwartskünstler tut. Ein Gemälde von Gerhard Richter, zum Vergleich, wurde 2015 für 44,5 Millionen Dollar verkauft. Sein Titel lautet selbstredend „Abstraktes Bild (599)“.

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