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Archiv-Artikel

Unsere Jungs in Afrika

Wie Hamburg mit dem Kolonial-Terror umgeht: Das Deutsch-Ostafrika-Kriegerdenkmal ehrt die „Schutztruppe 1914-18“, die auch den vor 100 Jahren begonnenen Maji-Maji-Aufstand niederschlug. Während Künstler die Umgestaltung des Ensembles fordern, setzt die Stadt auf Denkmalschutz

von Anke Schwarzer

Das Gewehr geschultert marschieren sie in Reih und Glied hinter einem deutschen Kolonialisten her: Das Terrakotta-Relief mit den vier Askaris, afrikanischen Söldnern im Dienste der deutschen Kolonialarmee, hat Walter von Ruckteschell angefertigt. Heute steht es im Hamburger Stadtteil Wandsbek, im so genannten „Tansania-Park“.

Das zweiteilige, mit öffentlichen Geldern restaurierte „Deutsch-Ostafrika-Kriegerdenkmal“ ist ein Lehrstück über den Umgang mit der deutschen Kolonialgeschichte. Vor zwei Jahren war das Denkmal – trotz zahlreicher Proteste – feierlich wieder auf dem Gelände der ehemaligen Lettow-Vorbeck-Kaserne aufgestellt worden. Repräsentanten der Stadt Hamburg und des Bezirks Wandsbek sowie der CDU-Bundestagsabgeordnete Jürgen Klimke nahmen an der Einweihung teil, ebenso alte Männer mit schütterem Haar, die in Hitlers „Afrika-Korps“ gekämpft hatten.

Das Denkmal demonstriert nicht nur den Mythos des treuen Askari, sondern ehrt die „Schutztruppe 1914-1918“. Dieselbe Armee schlug vor 100 Jahren den Maji-Maji-Aufstand gegen das deutsche Kolonialregime in Ostafrika blutig nieder. Am Denkmal dieser Terror-Armee erwähnt zwar ein nachträglich angebrachtes Schild die unzähligen Opfer des Kolonialismus. Aber keine Gedenktafel, kein Kranz erinnert an den zweijährigen Maji-Maji-Krieg und seine Hunderttausende von Toten. Wie viele andere Kolonialverbrechen auch, wurde er in der deutschen Öffentlichkeit vergessen und verdrängt.

Allerdings gibt es auch noch diejenigen, die die Zeit des Kolonialismus bewusst hochhalten: Traditionsverbände ehemaliger Schutz- und Überseetruppen und des „Afrika-Korps“ nutzen den „Tansania-Park“ für Kranzniederlegungen. In dem Park steht neben dem Askari-Relief auch das zehn Meter hohe Schutztruppen-Ehrenmal für die in den deutschen Kolonien gefallenen Soldaten.

„Anstatt einer Gedenkstätte, die zur Auseinandersetzung über ein lange verdrängtes Kapitel unserer Geschichte anregt, ist dort eine Pilgerstätte für Militärnostalgiker entstanden“, sagt Heiko Möhle, der Geschäftsführer des Hamburger Eine-Welt-Netzwerkes, eines Dachverbandes von 70 entwicklungspolitischen Initiativen und kleineren Menschenrechtsorganisationen.

Auch die Künstlerin Hannimari Jokinen protestiert gegen die Anlage. Sie legte ein Alternativkonzept vor, für das sich allerdings weder die Hamburger Kulturbehörde noch der Bezirk Wandsbek interessierte. Jokinen, die für ihr multimediales Projekt afrika-hamburg.de vor zwei Jahren den ersten Preis des Ideenwettbewerbs HafenCity 2003 gewonnen hat, konzipierte einen Park der Kolonialdenkmäler: Sie möchte alle Denkmäler dieser Art, die es in Hamburg gibt, auf dem Gelände der ehemaligen Lettow-Vorbeck-Kaserne versammeln und in drei Tableau-Installationen neue und unerwartete Sichtweisen ermöglichen. Keine großen Plätze oder erhöhte Podeste demonstrieren dann die Wichtigkeit und Macht der Kolonialherren. Keine runden Rasenformen oder Blumenbeete, wie sie jetzt vor Ort vorhanden sind, sorgen für Romantik und Nostalgie.

Stattdessen heben Besuchersockel die Betrachter auf Augenhöhe mit den Denkmalgesichtern, die eigentlich den Blick nach oben gerichtet haben oder in die Ferne schweifen. Die Skulpturen werden mit ihrer Patina und Beschädigungen aufgestellt. Diese Spuren sind Zeitgeschichte und sollen unbedingt sichtbar bleiben, findet Jokinen: „Eine Restaurierung würde die Denkmäler kontraproduktiv erhöhen.“ In den ehemaligen Kasernengebäuden schwebt ihr ein Dokumentationszentrum für Hamburgische Kolonialgeschichte vor.

Mittlerweile hat der Senat einen Bebauungsplan für das ehemalige Kasernengelände erarbeitet. Wohnungen für rund 2.000 Menschen, ein bisschen Gewerbe und Grünflächen sollen dort entstehen, im Herbst wird ein städtebaulicher Wettbewerb ausgeschrieben. Allerdings: Der „Tansania-Park“ am Rande des Geländes bleibe davon unberührt, heißt es aus der Behörde für Stadtentwicklung.

Das als denkmalwürdig eingestufte Ensemble aus ehemaligem Exerzierplatz und den umliegenden Kasernen soll nach dem Willen der Kulturbehörde erkennbar bleiben und unter Schutz gestellt werden. Die Eingänge der Gebäude zieren Keramikreliefporträts von Kolonialkriegern wie Hermann von Wissmann, Paul von Lettow-Vorbeck und Lothar von Trotha, der den Befehl zur Vernichtung der Herero und Nama im damaligen Deutsch-Südwestafrika erteilt hatte. Außerdem befinden sich an den Fassaden auch Abbildungen von Dolchen, Gewehren und Pickelhelmen. Heia Safari!