piwik no script img

Unser Weg ist unser Ziel

SED-Politbüromitglied Kurt Hager stellt im 'Neuen Deutschland‘ die Position zur Perestroika klar / SED ist stolz auf das bisher Erreichte und sieht sich seit langem als reformerische Kraft  ■  Von Erich Rathfelder

„Die Medien der kapitalistischen BRD, des ökonomisch und militärisch stärksten Nato-Staates in Europa, werden nicht müde, uns die Übernahme der sowjetischen Umgestaltung anzuraten, auf Reformen in der DDR zu drängen und die Partei - und Staatsführung anzugreifen, weil sie angeblich Angst vor Veränderungen habe“, heißt es in einem Grundsatzartikel des Politbüro-Mitglieds und Sekretärs des ZK der SED, Kurt Hager, der in der Wochenendausgabe des 'Neuen Deutschland‘ veröffentlicht wurde. Hinter dieser Haltung verberge sich ein „völlig haltloser Wunschtraum“: nämlich die Hoffnung, „daß sich die Sowjetunion zurück zu kapitalistischen Wirtschaftsmethoden und zur bürgerlichen Demokratie hinbewegt, daß sich die DDR ebenfalls zu einer 'Liberalisierung des Systems‘ bereit findet“. In Wirklichkeit diente die von der KPdSU initierte Umgestaltung in der Sowjetunion (Hager nennt nicht Gorbatschows Namen) der Weiterentwicklung der sozialistischen Wirtschaft und Demokratie und sei auf die „Erhöhung der Effektivität des Sozialismus“ und der Erhaltung des Friedens ausgerichtet. Dem stimme die SED in jeder Weise zu, erklärt Hager in dem dreiseitigen Artikel und weist auf die unterschiedlichen Entwicklungsbedingungen der einzelnen sozialistischen Ländern hin. Formen und Methoden aus einem anderen Land schematisch zu übertragen könne es nicht geben, „weil jede Partei verantwortlich ist in ihrem eigenen Land“.

Es werde den westlichen Medien nicht gelingen, einen Keil zwischen die DDR und die Sowjetunion zu treiben. Die BRD -Publizisten und Politiker vergeudeten ständig Kraft damit, zu behaupten, die DDR- Führung habe Angst vor Veränderungen. Der Autor verweist auf den Charakter der „Reformen“ in der BRD, die eine „Verschlechterung der Lebensbedingungen für Millionen Bürger mit sich bringen“. Stolz verweist Hager dagegen auf die Erfolge der DDR bei der Entwicklung neuer Technologien (z.B. Lichtleiter, Laser, keramische Werkstoffe, Biotechnologie, den 1-Megabit-Schalterkreis) und auf das Wohnungsbauprogramm mit seinen drei Millionen Neubauwohnungen.

Bei allen Unterschieden sei die SED bereit, eine „Kultur des ideologischen Streits“ zu entwickeln, die auf die Diffamierung des Gegners und „Lüge und Verdrehung“ verzichte. „Leider praktizieren Gegner des Sozialismus eine solche Streitkultur nicht“. „Wenn Helmut Kohl bei seinem Moskauer Aufenthalt die Spaltung Deutschlands als widernatürlich nennt“, heißt es an anderer Stelle, „so hätte er seine Worte an die imperialistischen Kreise des Westens und der BRD richten müssen“, die eigentlich Schuld an der Teilung sind. Die SED jedenfalls, so Hager, sei seit 1946 beharrlich für „ein einheitliches, antifaschistisches und demokratisches Deutschland“ eingetreten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen