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Unser Dorf muß schöner werden!

■ Neue taz-Reihe zur Bremer Architektur / 1. Lieferung — Ein Verriß: Das Scandic-Crown-Hotel - "Eine Rhapsodie in Rosa-Rot"

Scandic Crown Hotel, links zum Vergleich das "Haus Atlantik"Foto: Tristan Vankann

“In Bremen haben wir bald nichts mehr an guter Überlieferung ... mit Ausnahme der paar Giebel nichts mehr. Die Architekten unserer Väter haben fürchterlich gewütet.“ (Ludwig Roselius, 1928)

Unmittelbar in Nachbarschaft zu

hier den Einleitungstext,

der als Anzeige schon

belichtet ist

hjierhin das Bild von dem Gebäude

Bremens spektakulärstem Architektur-Ensemble, der Böttcherstraße, als Anbau an das architektonisch herausragende „Haus Atlantis“, das vom Worpsweder Künstler Bernhard Hoetger im Auftrag des Bremer Kaufmanns und Industriellen Ludwig Roselius 1929-1931 gestaltet wurde, hat sich jetzt ein internationaler Hotelkonzern mit einer neuen Filiale in Bremen etabliert. 1988 wurde der Grundstein gelegt. In diesen Tagen wird die Eröffnung gefeiert.

hierhin das Piktogramm

Die feine Adresse auf den Briefbögen, den eigentlichen Eingang und die Garageneinfahrt aber in der Wachtstraße, wendet

sich das Gebäude nach innen u-förmig um ein verglastes Atrium und mit der Hauptfassade zu der vom Verkehr geplagten Martinistraße, die 6-spurig die Fundamente von zerstörten und abgerissenen Gebäuden aus dem Mittelalter und der Renaissance unter sich begräbt und die Innenstadt radikal von der Weser abschneidet.

Hier geht es um ein sichtbar gewordenes Beispiel für Bauherren, die sich beim Bauen der Verantwortung der Geschichte und der spezifischen Qualität eines Ortes nicht bewußt werden; es geht um das konkrete Versagen der auswärtigen Planer und um die Bremer Weichensteller, die für die Architektur und Gestaltung dieser Stadt die Verantwortung tragen.

Etwa insgesamt ein halber Hektar Betondecken, verteilt auf vier Garagengeschosse und sechs Hotel-Etagen mit Service für Tagesbesucher und rund 250 Zimmer mit etwa 500 Betten zu Baukosten von etwa 100.000 Mark je Bett, laden zur Benutzung und Besichtigung ein.

Am „Haus Atlantis“, dem damals schon die 15-20 Schritte an der Martinistraße zuviel waren und das deshalb hier die Giebel von zwei Häusern zeigt, knüpft der Bau ziemlich hilflos mit einer unendlich langen, leicht gebogenen Fassade aus französischem Muschelkalk an. Vertikal wird sie durch Regenfallrohre gegliedert.

Pappig — man durchschaut die vorgeblendete Plattenstärke — schwimmt das Gebäude kontrastlos auf einem Sockel aus fast gleichfarbigem Granit. Eine spröde Arkade, die nichts mit den weichen Bögen der Böttcherstraße zu tun hat, trägt die Obergeschosse. Geschickt-und um die Nutzung des Grundstücks zu erhöhen — oben ein Staffelgeschoß und das kuppelförmige, ausgebaute Dach (Monsieur Mansard, ick hör Dir trapsen).

Das Dachmotiv, das den Kritiker an den „Himmelssaal“ des „Haus Atlantis“ erinnert, aber nicht versöhnt, bildet an der Ecke Wachtstraße einen Kopf; die Fassade wie mit dem Brotmesser geschnitten und die Profile wie angeklebt. In dieser Nebenstraße wird der Haupteingang gesucht. Das Ganze endet in der „NR 32“, dem Giebel eines Bremer Hauses, der nur in Einzelteilen geborgen und auf Wunsch der Behörde — völlig neu als blanke Brosche — vorgeblendet werden mußte und nicht nur den Bauleitern Kopf

Scandic Crown, das Atrium.Foto: Jörg Oberheide

schmerzen macht.

Das Innere des Gebäudes wird durch ein großes, verglastes Atrium gebildet, in das die Hälfte aller Zimmer hineinblicken.

Etwa 20 auf 25 Meter in der Fläche und bis zum First 20 Meter hoch und prächtig, angenehm klimatisiert und freundlich hell. Das Restaurant „Rhapsodie“ mit exzellenter Küche, wirklich preiswertem Brunch und einem sehr freundlichen Team. Aber was für ein schreckliches Interieur! Nomen est omen — wie der Lateiner sagt.

Zwar heißen fast alle Restaurants des Konzerns auch in den anderen Städten „Rhapsodie“ und ist der Name (laut Lexikon: Instrumentalstück in freier Form) griechischen Ursprungs — er enthält aber das Wort „rhaptein“: „zusammennähen“.

Das Vestibül, in harmlosem Schick. Kristalleuchter (Murano? ) und ein bunt angemaltes, hölzernes Teil als Souvenir und Mahnung aus Schweden. Der Übergang zum Atrium mit behäbigen, prallgeblümten Sesseln verstellt, dahinter — unter Gerüsten und Pergolen — ein italienischer Markt in preußischer Ordnung und skandinavischer Sau

berkeit. Mittendrin ein weißer Flügel ohne Udo Jürgens.

Die fünfgeschossigen Fassaden mit vier Reihen Zimmerfenster — in der unteren Reihe französich - teils karg, teils in Monumentalordnung. Die echte südländische Heiterkeit will unter dem Glasdach nicht so recht aufkommen. Und überall der Beweis, daß alles und jedes Material — ob Natur-oder Kunststein, Keramik, Stuck, Putz. Holz, Metall, Tapete ... und alles, was der Baumarkt noch so hergibt, in den gleichen Farbtönen zwischen Rosa und Rot gefärbt und angestrichen werden kann! Türkis gehöht und abgesetzt.

Und in der Front schließlich der Höhepunkt: Auf einem hohen Podest wird in einer orientalischen Zeltstadt mit bürgerlichen Accessoires eine Kaffeehaus- Operette inszeniert. Schach und Halma können ausgeliehen werden, Literaten fehlen. Eigentlich eine angenehme und ruhige Atmospäre, wenn man nicht ständig befürchten müßte, daß jeden Augenblick Marika Rökk trällernd ihr Likörchen stehen läßt, die lange Treppe runterschreitet und unten mal kurz am „Royal Swedisch Smörgasbord“ nascht.

Fazit: Beliebigkeit! Kein Beitrag zur Lösung der städtebaulichen Situation, keine durchgestaltete Idee, keine Antwort auf die Architektur Hoetgers, keine Spur von Kongenialität, kein Hauch von Avantgarde und weniger „modern“ als das „Haus Atlantis“. Zwar daneben, aber daneben! Skal! urbi

P.S.: Unser Dorf muß schöner werden!

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