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ZURSACHEUnser Abendschau-Berlin

■ Die CDU und die Straßennamen im Osten

Eigentlich gehören sie unter Milieuschutz, die Herren Diepgen, Landowsky und Feilcke von der CDU. Unermüdlich kämpfen sie für die Wiederauferstehung des guten alten Abendschau-Berlin, als seien sie noch vom Roten Meer umgeben. Der kalte Krieg ist leider vorbei, und deshalb wird heftig trauergearbeitet, immer haarscharf neben der gesamtdeutschen Realität. Die alten Straßennamen: eine Zumutung in der wiederauferstandenen Haupt- und Olympiastadt. Die Denkmäler: sie gehören allesamt weg, und arbeitslose Ost-Künstler sollen gratis was Neues dafür hinstellen. Der Republikpalast: eine Altlast, für die das feudale Stadtschloß wieder aufwachsen soll. Stalinismus heißt das Schlagwort, und das Fax-Gerät orgelt genau so. Jeden Tag ein neuer Bewältigungsvorschlag.

Weil es mit der großen Aufgabe der Namensrevision nicht schnell genug rückwärts geht, greift der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete Feilcke zur Selbstjustiz und überklebt Otto-Grotewohl mit Wilhelm. Der christliche Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Landowsky, und der Regierende Diepgen fordern derweil, den Bezirken ihre Umbenennungskompetenz per Sondergesetz zu entziehen. Die alten »historischen« Namen sollen wieder her, zentralistisch beschleunigt, auch wenn die gute Luise schon ein halbes dutzendmal verewigt ist. Bloß keine langen neuen Diskussionen. Kontrolle ist besser: Am ersten Jahrestag der Einheit will der Westen Besenreinheit.

Natürlich hätte CDU-Landowsky auch Marx und Engels — »die Großväter des Stalinismus« (O-Ton) — ganz gern vom Schild verbannt, zumindest »im Zentrum«. Eine verständliche Zurückhaltung, denn beim flächendeckenden Säubern wäre auch die Neuköllner Karl-Marx-Straße dran. Doch nichts wäre der CDU so unangenehm wie eine Namensdebatte im Westteil, wo noch einige Altlasten auf den Schildern sind und das Defizit an fortschrittlichen Namen groß ist. Hans-H. Kotte

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