Unruhen in Südafrika dauern an: Zumas Basis probt den Aufstand
Südafrikas ANC-Regierung reagiert hart auf die anhaltenden Proteste in den armen Townships. So wächst die Enttäuschung der Armen mit Präsident Jacob Zuma weiter.
BERLIN taz | Es erinnert an die finsteren Zeiten der Apartheid: Aufgebrachte Demonstranten errichten Straßensperren, die Polizei antwortet mit Gummigeschossen und Tränengas. Die Unruhen, die seit drei Tagen mehrere arme Townships in Südafrika erschüttern, stellen für den im April gewählten neuen Präsidenten Jacob Zuma die erste große Herausforderung dar.
Nachdem die Gewalt in der Nacht zum gestrigen Donnerstag ihren Höhepunkt erreichte, erklärte die Regierung gestern, sie werde "illegale" Proteste nicht dulden. "Wir werden damit skrupellos umgehen", sagte Sicelo Shiceka, Minister für "kooperative Regierungsführung". In der Provinz KwaZulu-Natal warnte hingegen Kommunalminister William Mchumu: "Bilder alter Frauen und Männer mit Wunden infolge von Gummigeschossen und sogar scharfer Munition werfen ein schlechtes Licht auf unsere junge Demokratie."
Zuvor waren im Township Siyathemba in Balfour südlich von Johannesburg erneut tausende von Menschen auf die Straße gegangen und hatten Arbeitsplätze und bessere Grunddienstleistungen gefordert. Bereits seit Dienstag kommt es dort und in anderen Armensiedlungen zu Protesten, die regelmäßig in Gewalt ausarten.
Es ist ein klassischer Fall enttäuschter Träume. Die ANC-Basis, die seit Ende der Apartheid vor fünfzehn Jahren vergebens auf ein besseres Leben wartet, bescherte dem Volkstribun Jacob Zuma im April 2009 einen haushohen Wahlsieg. Sie glaubten ihm, dass er die Nöte der Massen besser verstünde als die bisherige intellektuelle ANC-Elite. Aber viele Kritiker im In- und Ausland fürchteten vielmehr eine demagogische Willkürherrschaft unter Zuma, dessen unbekümmerter Umgang mit der Justiz notorisch ist.
Zuma hat nun zunächst versucht, diese Vorbehalte zu entkräften, und benimmt sich so brav, dass seine Regierung unsichtbar wirkt. "Ein Loch, wo das Land einen guten Führer bräuchte", konstatierte am 6. Juli die Wirtschaftszeitung Business Day und warnte: "Die Gefahr besteht, dass die Menschen Protest als einziges Mittel ansehen, um die Aufmerksamkeit ihrer Führer zu erheischen".
In seiner Regierungserklärung am 3. Juni versprach Zuma 500.000 Arbeitsplätze bis Jahresende. Stattdessen erlebt Südafrika seine erste Rezession seit siebzehn Jahren. Dafür kann die ANC-Regierung nichts, aber auch die ANC-Gemeindeverwaltungen erweisen sich als unfähig, die sozialen Probleme auf lokaler Ebene aufzufangen. Der für Kommunalverwaltungen zuständige Minister Shiceka stellte Anfang Juni fest, viele Gemeindeverwaltungen befänden sich "in einem Zustand der Paralyse".
Zum Höhepunkt der Unruhen in Siyathemba wollte Balfours Bürgermeister Lefty Tsotetsi am Mittwoch eine Rede halten, aber weil wütende Demonstranten mit Knüppeln sein Auto belagerten, ließ er sich unter Polizeischutz ins Fußballstadion fahren und versprach dort Bildung und öffentliche Toiletten. "Wann? Wann? Wann?", skandierte die Menge. Dann zog sie zu einer Baustelle, wo der Bürgermeister sich gerade ein Haus baut, und zündete den Rohbau an.
Wenn die Regierung Schlagzeilen gemacht hat, dann dadurch, dass mehrere Minister aus ihren Etats Luxuslimousinen zum persönlichen Gebrauch gekauft haben. Derweil mehren sich seit Wochen Streiks für höhere Löhne in zentralen Wirtschaftsbereichen, von den Baustellen für die Fußball-WM 2010 bis zum Bergbau. Der Gewerkschaftsdachverband Cosatu droht sogar mit einem Streikaufruf für alle seine zwei Millionen Mitglieder.
Alle Augen richten sich nun auf Präsident Zuma. Wenn er weiter schweigt, dürften Südafrikas soziale Unruhen eskalieren. Wenn er energische Maßnahmen ergreift, tritt die Präsidialisierung seines Regierungssystems ein, vor der seine Kritiker warnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld