Unpolitische Autoanzündler vor Gericht: Die Dummheit der drei Vorstadtjungs
Drei Spandauer gestehen, eine Jacke auf einem Auto abgebrannt zu haben. Ihre Tat haben sie gefilmt. Politisches Motiv ist nicht erkennbar.
Wenn es um brennende Autos ging, hatte die Justiz in den letzten Monaten große Probleme. Am Mittwoch aber wurde es den Richtern einfach gemacht. Drei junge Angeklagte gaben nicht nur zu, im Sommer ein Auto flambiert zu haben. Sie haben ihre Tat sogar mit dem Handy gefilmt. Nur bei der Aufklärung der vermutlich politisch motivierten Anschlagsserie hilft der Prozess vor dem Amtsgericht Tiergarten nicht weiter. Damit haben die Angeklagten offensichtlich nichts am Hut.
Die drei Angeklagten gestanden, im August nach einem Saufgelage eine Jacke angezündet zu haben. Sie lag auf dem Dach eines in Spandau parkenden Autos. Neben der Jacke entstanden lediglich Schäden am Lack. Die Reparatur belief sich auf 2.200 Euro. Beim Besitzer hatten sich die Angeklagten bereits vor dem Prozess entschuldigt. "Das war das Dümmste, was wir jemals gemacht haben. Wir hoffen, dass wir den entstandenen Schaden wiedergutmachen können", gab der angeklagte Benjamin P. (25) vor Gericht zu Protokoll.
Dass Sachbeschädigung derzeit nicht gleich Sachbeschädigung ist, sobald es um Autos in Berlin geht, ließ sich an einem Mann im Zuschauerraum festmachen: Oberstaatsanwalt Thomas Schwarz nahm dort Platz. Der hatte im Oktober im umstrittenen Prozess um den angeblichen Autobrandstifter Christoph T. trotz äußerst dünner Beweislage vehement auf eine harte Verurteilung gedrängt. Mittlerweile wurde T. genau wie zwei weitere angebliche, politisch motivierte Brandstifter nach monatelanger Untersuchungshaft freigelassen. Der Prozess gegen T. muss neu aufgerollt werden.
Auch die jetzt angeklagten jungen Männer saßen mehrere Wochen in U-Haft. Keiner der drei Anfang 20-Jährigen ist vorbestraft oder wirkt wie ein linksradikaler Aktivist. Mit braven Kurzhaarschnitten und unprätentiösen Klamotten sitzen die drei dem Richter gegenüber. Einer arbeitet als Gebäudereiniger, einer als Schornsteinfeger, der andere empfängt Hartz IV.
Ihr Video aus der Sommernacht betrachten der Richter und die Verteidiger nun auf einem Laptop. Die lallende Stimme des Hauptangeklagten Sebastian F. (25) ist zu hören. "Is ja irre", wiederholt er mehrfach. Als die Jacke auf dem Auto brennt, grölen F. und seine Begleiter begeistert. Kameramann Benjamin P. sagt noch im Off, "Jetzt gehts ab", dann endet die Aufnahme. Sie seien wenig später nach Hause gegangen, erzählen die Angeklagten übereinstimmend.
Ob sie aus der Presse von der Welle der Brandanschläge auf Autos erfahren hätten, fragt der Richter. "Ich lese keine Zeitung, nur Computer-Bild. Mir hat man erst nach unserer Tat von den Anschlägen erzählt", sagt Philipp Z. (25) mit belegter Stimme. Auch die beiden anderen erklären, von der besonderen Brisanz ihrer Tat nichts gewusst zu haben.
"Kein Plan. Keine Brandbeschleuniger. Kein linkes Motiv", fasst Mirko Röder, Anwalt des Hauptangeklagten, zusammen. Er plädiert für ein mildes Urteil. Von "Szenetaten" könne in diesem Fall überhaupt nicht die Rede sein. "Es ist klar", unterstreicht der Rechtsanwalt, "dass auch Nachahmungen der politisch motivierten Brandanschläge nicht geduldet werden können. Aber hier haben wir es mit einer Dummheit und keiner politisch motivierten Straftat zu tun."
Trotz der Geständnisse und der "eindeutigen Sachlage" befürchtet er, dass die Staatsanwaltschaft harte Strafen fordere. Weil noch ein Zeuge vernommen werden soll, wurde der Prozess vertagt. BERND SKISCHALLY
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?