: Unkontrolliert telefonieren in Rio
■ Brasilien gibt Telekommunikation zur Privatisierung frei. Das Programm wird zunächst beim Mobilfunk getestet
Rio de Janeiro (taz) – Brasilien macht mit der Privatisierung ernst. Nach dem Ende des Treibstoffmonopols im Mai vergangenen Jahres öffnete Brasiliens Kongreß Mitte Juli den lukrativen Bereich der Telekommunikation. Zunächst soll das Privatkapital in den Ausbau des Mobilfunks fließen. Ab 1999 unterliegt auch das konventionelle Telefon nicht mehr staatlicher Kontrolle. Kommunikationsminister Sérgio Motta verspricht sich davon vor allem Preissenkungen, gewaltige Investitionen und die Schaffung von Arbeitsplätzen. „Durch das neue Gesetz ist Brasilien anderen aufstrebenden Märkten wie Indien und China voraus.“
Der Abgeordnete der oppositionelle Arbeiterpartei PT, Milton Temer, bremst die Privatisierungseuphorie: Bis jetzt sei noch nicht einmal die 1995 beschlossene Öffnung des Treibstoffsektors vom Kongreß in seinen Einzelheiten geregelt worden, warnt er vor zu schnellem Vorgehen.
Für die Vermarktung des Mobilfunks teilt das Gesetz das Land in zehn verschiedene Regionen ein. Die öffentliche Konzession für eine Region ist auf 15 Jahre befristet und kann noch einmal um denselben Zeitraum verlängert werden. Jedes Konsortium – es existieren bereits 19 multinationale Gruppen – kann maximal zwei der zehn Regionen bedienen, allerdings unter einer Auflage: Wer für eine lukrative Region im reichen Süden den Zuschlag bekommt, muß bei der zweiten Konzession mit einer wirtschaftlich rückständigeren Gegend im Norden oder Nordosten Vorlieb nehmen. Im Bereich der konventionellen Telefontechnik sollen die 27 Telefongesellschaften der Bundesländer zu vier großen regionalen Firmen zusammengefaßt werden. Ab 1999 sollen diese dann Konkurrenz bekommen und schrittweise an die private Initiative übergehen.
Nach Angaben der Staatsholding „Telebras“ kommen in Brasilien heute auf hundert Einwohner zehn Telefone, in Spanien 34. In den kommenden drei Jahren sollen zehn Millionen neue Telefonleitungen verlegt werden. Damit würde die Kapazität des Netzes beinahe verdoppelt. Brasiliens Planungsminister Antonio Kandir rechnet mit Investitionen von 50 Milliarden Dollar bis 2000: „Heute hängt die wirtschaftliche Zukunft eines Landes von Telematik und Bildung ab.“ Astrid Prange
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen