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Uni-Präsident Lenzen über die Zukunft"Exzellenz ist nicht alles"

Wettbewerbe beleuchten nur einen Teil der Wissenschaft, sagt Uni-Präsident Dieter Lenzen. Sein Zukunftskonzept stellte Fragen nach Bedingungen - und fiel durch

Hatte einen besonderen Ansatz: Uni-Präsident Dieter Lenzen. Bild: dpa
Kaija Kutter
Kaija Kutter
Interview von Kaija Kutter und Kaija Kutter

taz: Herr Lenzen, Ihr Zukunftskonzept für eine nachhaltige Universität ist beim Exzellenzwettbewerb durchgefallen. Waren Ihre Ideen nicht gut?

Dieter Lenzen: Das ist nicht der Grund. Eine Uni kann beim Wettbewerb nur dann ein Zukunftskonzept einreichen, wenn sie auch mindestens eine Graduiertenschule und ein Forschungs-Cluster hat. Da aber alle unsere Graduiertenschulen abgelehnt wurden, entfällt damit auch das Zukunftskonzept.

Was hatten Sie sich genau überlegt?

Was diese Universität charakterisiert. Viele Wissenschaftler haben sich hier über einen langen Zeitraum mit Nachhaltigkeit beschäftigt. Nicht nur im Sinne von Klimafolgenforschung: Auch ein Friedensforschungsinstitut fällt darunter, wenn man Nachhaltigkeit als "Zukunft offen halten" definiert. Dann haben wir über über Nachhaltigkeit von Forschungsmethoden nachgedacht. Angefangen von einfachen Fragen wie Ressourcen-Verbrauch bei Experimenten bis hin zu der Frage: Determinieren wir nicht Zukünfte durch die Art unserer Forschungslogik? Dazu als dritte Dimension die Nachhaltigkeit der Lehre: Durch die Bologna-Reform hat sich ein Typus von Lehre etabliert, der sich sehr stark an Prüfungsmöglichkeiten orientiert. Das ist kein nachhaltiges Lernen für gesellschaftliches Leben. Die vierte Dimension: Muss nicht auch die Art und Weise, wie eine Organisation sich selbst reproduziert, nachhaltig sein? Inwiefern geht die Möglichkeit verloren, nachhaltige Wissenschaft zu machen, wenn wir falsch führen?

Durch autoritäre Strukturen.

Zum Beispiel. Wenn ein großer Teil der Wissenschaftler sich mental verabschiedet und sagt: Hier komme ich eh nicht vor.

Im Interview: Dieter Lenzen

DIETER LENZEN 63, ist Erziehungswissenschaftler und seit März des Jahres 2010 Präsident der Universität Hamburg.

Gab es bei den konkurrierenden Unis Ähnliches?

Definitiv nicht. Ich kenne die Konzepte nicht im Einzelnen, aber das was die Mitbewerber darüber veröffentlicht haben, zeigt: Wir hatten einen besonderen Ansatz.

2007, als Präsident der FU Berlin, waren Sie unter den Gewinnern. Wie fühlen Sie sich nun?

Exzellent, will ich mal spaßig sagen. Dieser Wettbewerb ist nicht alles. In Berlin war er wichtig, um die drohende Schließung der FU abzuwenden. In Hamburg ist es eine völlig andere Situation. Hier muss man fragen: Versteht die Stadt, dass dieses die Hälfte ihrer Zukunft ist? Die eine Hälfte mögen der Hafen und die Industrie sein, aber die Uni ist die andere.

Was sagt der Wettbewerb über Qualität einer Hochschule aus?

Nichts über die Gesamtqualität. Das wird leicht missverstanden in der Öffentlichkeit. Es sagt etwas über die Fähigkeit, Beutegemeinschaften herzustellen.

Beutegemeinschaften?

Gruppen, die sich quer durch die Fächer unter einem Thema zusammentun und sagen: Wir beantragen ein Objekt zu beforschen, was man gar nicht nur aus einer Disziplin heraus tun kann. Das ist nicht zu beanstanden - aber nur ein Ansatz für Wissenschaft. Der "einsame Denker" in den Geisteswissenschaften kann und muss so eine Gemeinschaft nicht unbedingt bilden für seine Arbeit. Damit rückt der Exzellenzwettbewerb einen gewissen Teil der Wissenschaft in den Vordergrund und fasst den anderen nicht ins Auge.

Gewinnen nicht ohnehin nur bereits erfolgreiche Unis?

Nein. Aber wenn eine Uni mit einem Zukunftskonzept gewinnt, heißt es: Das ist der Beweis, das ist die Beste. Das greift zu kurz. Es ist zunächst nur eine tolle Idee für eine Zukunftsentwicklung einer Uni, allerdings auf einer guten Grundlage. Umgekehrt reicht diese Grundlage nicht, um automatisch eine Perspektive für die eigene Entwicklung zu haben. Genau das hatten wir ja mit dem Nachhaltigkeitskonzept versucht. Wir wollen weit über das hinaus, was üblicherweise diskutiert wird. In den Wettbewerbs-Bedingungen steht, es soll der Spitzenforschung nützen. Ich sage, für die ist es nur nützlich, wenn die Bedingungen von Wissenschaft nachhaltig sind.

Wieso ist Hamburg bei der Finanzierung Schlusslicht?

Die Deutsche Forschungsgesellschaft hat die Finanzierung von 2007 und davor betrachtet und festgestellt, dass keine Absicht erkennbar war bei der Politik, aus der Stadt einen Wissenschaftsstandort zu machen. Hinzu kommt, dass der Anteil, den das Wissenschaftsbudget hat, der kleinste von allen Bundesländern ist. Selbst im ärmeren Bremen und Berlin legt man mehr Wert darauf.

Wie viel Geld brauchen Sie, um besser aufgestellt zu sein?

Berücksichtigt man alles, was seit 2000 gekürzt wurde, und den Abstand, den Hamburg zum Durchschnitt der anderen Länder im Wissenschaftsetat hat, dann muss man bereits 50 Millionen Euro oben drauf tun. Jetzt kommt neu die Androhung dazu, die Wissenschaftsstiftung aufzulösen. Das sind 15 Millionen Euro im Jahr. Wenn dann die Studiengebühren auch nicht kompensiert würden, fehlten schon an die 90 bis 100 Millionen. Die neue Regierung muss entscheiden, ob sie sagt: Ja, wir machen einen großen Schritt nach vorn.

Sehen Sie dafür Spielraum im Haushalt?

Experten sagen, aus jedem Euro in der Wissenschaft kommen in zehn Jahren als "Return on Investment" fünf neue raus. Das scheint nicht jeder zu wissen.

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3 Kommentare

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  • H
    Hann0s

    Wenn das seine INSM-Freunde im Senat hören gibts bestimmt Klopfe auffe Finger

  • E
    Exzellenz

    Lenzen hat recht, hier von der Stadt ein Bekenntnis zur Wissenschaft fordern. Hamburg hat schon immer sein ganzes Geld im Hafen versenkt und auf Dauer wird das noch nicht einmal mehr die halbe Miete sein. Maersk baut jetzt schon Schiffe mit mehr Tiefgang als die Elbe NACH der nächsten Vertiefung haben wird. Hamburg sollte endlich zur Kenntnis nehmen, dass es nicht immer so weiter geht.

     

    Leider ist Scholz hier noch auf dem Holzweg. Auch die Berufung von Stapelfeld ins Bürgerschaftspräsidium spricht nicht für eine Schwerpunktsetzung. Nur die GAL hat scheinbar verstanden: GAL-Hochschulexpertin Eva Gümbel: "Die Zukunft liegt in der Wissenschaft. Wer das nicht kapiert hat, hat gar nichts kapiert."

     

    Herr Lenzen - mit solchen Verbündeten kann doch nichts mehr schief gehen ...

  • RB
    Rainer Böhrnsen

    Die Fixierung auf den Hafen ist etwas, was den jetzigen Senat wesentlich prägt, inhaltlich wie personell.

    Es steht zu befürchten, dass damit bestimmte Ressourcen, die momentan noch dem Hafen zugeordnet werden, aber von diesem nicht mehr benötigt werden, nicht für eine Orientierung in die von Herrn Lenzen so richtig beschriebene andere Hälfte einer Zukunft für die Stadt freigegeben werden.

    Ich meine die Flächen in Moorburg, die seit 30 Jahren zum Hafenerweiterungsgebiet gehören und die der Hafen für den Umschlag nicht mehr braucht.

    Von den Bürgern des Ortes ist das Konzept eines "Wissensparks für Umwelt- und Maritime Technologien in Moorburg" entwickelt worden, das Hamburg auf dem Gebiet einer zukunftsträchtigen Forschung enormes Potenzial eröffnen würde. Der Standort ist, aus den verschiedensten Gründen, auch wegen seiner Nähe zur TU-Harburg, optimal und relativ einfach zu erschließen.

    Wer Interesse hat: Unter www.nexthamburg.de auf "Ideen für die Stadt", "Topideen" und dann "Wissenspark in Moorburg" klicken.

    Hamburgs Zukunft liegt im Süden.