piwik no script img

Unheil am Netz

■ Wie schon im Vorjahr verlor Steffi Graf das Halbfinale von Key Biscayne gegen Gabriela Sabatini

Key Biscayne (dpa) — Steffi Graf mußte dreimal kräftig schlucken, um die aufkommenden Tränen zu unterdrücken. Draußen im schmucklosen Tennis-Stadion von Key Biscayne verabschiedeten 11.500 Zuschauer die Argentinierin Gabriela Sabatini mit derart enthusiastischen Ovationen, daß die bereits ins Pressezentrum enteilte Deutsche mit der Erklärung für die erneute Schmach innehalten mußte, weil sie niemand mehr verstanden hätte. Viel zu erzählen hatte sie nach der 6:3, 6:7 (5:7), 1:6-Niederlage im Halbfinale ohnehin nicht. Entkräftet, enttäuscht, verärgert und ein wenig ratlos saß sie da und meinte nur: „Ich bin nicht glücklich, wie ich heute gespielt habe.“

Der fast zweieinhalb Stunden dauernde Fight unter dem Nachthimmel Floridas glich einem Spiegelbild des Vorjahres-Halbfinales. Auch damals hatte die Deutsche gegen ihre ehemalige Doppel-Partnerin im ersten Satz triumphiert (6:0), auch damals hatte sie den zweiten Durchgang im Tie Break verloren, auch damals war sie dann im dritten Satz mit einem 1:6 völlig eingebrochen. Damals wie diesmal boten beide Spielerinnen in den ersten beiden Sätzen absolutes Weltklasse-Tennis mit vielen spektakulären Ballwechseln, ehe für die Brühlerin alle Dämme brachen und die Argentinierin triumphierte. Sie trifft heute im Endspiel auf die Spanierin Arantxa Sanchez-Vicario, die Jennifer Capriati (USA) glatt mit 6:2, 6:4 geschlagen hatte.

Steffi Grafs Unheil bahnte sich Mitte des zweiten Satzes an, als sie zwei Breaks nicht halten konnte und danach den Tie Break verlor, und wurde schon zu Beginn des dritten Durchgangs besiegelt: Sie führte im ersten Spiel des Entscheidungssatzes bei eigenem Aufschlag mit 40:0, als Sabatini neun Punktgewinne in Serie gelangen: Statt 1:0 stand es 0:2. Das anfangs zurückhaltende Publikum unterstützte ihre Lokalmatadorin — Gabriela Sabatinis zweiter Wohnsitz ist in Key Biscayne — nun nach Kräften, während die Weltranglisten-Zweite mehr und mehr abbaute. Symptomatisch beendete sie das Match mit einem Doppelfehler und meinte anschließend: „Ich hatte meine Chancen im zweiten Satz. Am Ende war es dann ziemlich einseitig.“

Fast trotzig nannte die 22jährige anschließend als Gründe für die zehnte Niederlage im 31. Duell mit der ein Jahr jüngeren Argentinierin neben „meinem fürchterlichen Aufschlag“ die falsche taktische Marschroute: „Ich habe das Spiel am Netz verloren.“ Sie hatte sich, wohl nicht zuletzt auch auf Anraten ihres neuen Trainers Heinz Günthardt, der anhaltenden öffentlichen Diskussion über eine offensivere Spielweise gebeugt, und das Scheitern dieser Mission schien sie in ihrer inneren Abneigung zu bestätigen.

„Das Gerede, ich müsse öfters ans Netz kommen, geht mir langsam auf den Geist“, sagte sie. Allerdings waren ihre Netzattacken gar nicht so unüberlegt oder überhastet. Nur die Volley-Fehler, die ihr anschließend unterliefen, glichen gelegentlich denen einer Freizeitspielerin.

Ein anderer Grund für das betrübliche Ende zweier insgesamt zwar mühseliger, aber dennoch erfolgreicher Turnierwochen war allerdings auch Steffi Grafs körperlicher Zustand. „Ich hatte einige sehr schwere Spiele in den vergangenen Tagen und bin jetzt sehr müde“, gestand sie ein. Dies ist kein Wunder angesichts des aufgrund ihrer Krankheitspause verspäteten Saisonstarts. Bis zum nächsten Turnier in Amelia Island (6. bis 12.April) will die Brühlerin wieder Kräfte sammeln, an ihrem derzeit unbefriedigenden Aufschlag basteln — und vielleicht wird sie ein bißchen Volleys trainieren. Susan Schott

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen