■ Ungarn und Rumänien einigen sich auf Grundlagenvertrag: Toleranz für Anderssprechende?
Die Unterzeichnung des ungarisch-rumänischen Grundlagenvertrags ist zweifellos ein historischer Akt. Trotzdem werden dadurch die bestehenden Probleme nicht gelöst. Die beidseitige Anerkennung der Landesgrenzen beseitigt die Konflikte keineswegs.
Beide Regierungen, die mit diesem Vertrag dem mehr oder minder sanften politischen Druck des Westens nachgaben, verpflichten sich im Grunde bloß zu einer Absichtserklärung. Das ist die Meinung der Betroffenen. Und die Betroffenen sind die Angehörigen der etwa zwei Millionen zählenden ungarischen Minderheit. Der „demokratische Verband der Ungarn aus Rumänien“ lehnt somit den Grundlagenvertrag nicht ab, aber er akzeptiert ihn auch nicht.
Der Vertrag sieht zwar den freien Gebrauch der Muttersprache, das Recht auf ethnische Parteigründungen sowie ein Assimilierungsverbot vor. Aber ohne gesetzliche Garantien bleiben solche Erklärungen Papier. Die jetzige rumänische Lokalgesetzgebung schreibt vor, daß beispielsweise Kommunalräte in ausschließlich ungarischsprachigen Ortschaften während der Sitzungen die Staatssprache benutzen. Und die ist für alle Minderheiten Rumänisch.
Toleranz heißt immer auch Toleranz für Anderssprechende. Nicht das ausdrückliche Verbot, die Muttersprache zu sprechen, garantiert das Überleben derselben, sondern ihre gesetzliche Förderung. Das heißt im Falle einer nationalen Minderheit nicht nur Individualrechte, sondern kollektive Rechte. In diesem Punkt ist Bukarest zu keinem Zugeständnis bereit, weil es in jedem Kollektivrecht bereits einen potentiellen Anschlag auf die territoriale Integrität des Landes zu erkennen glaubt.
Rumänien hat seit 1919 regelmäßig versucht, sich seiner Ethnien auf mehr oder weniger legale Weise zu entledigen. Das weiß die ungarische Minderheit Rumäniens. Deshalb fordert sie eine „positive Diskriminierung“, die bedingungslose Rückgabe ihres Eigentums, das Recht auf die Gründung eigener Schulen und einer Universität. Kurz gesagt, nur die kulturelle Autonomie verhindert die Assimilation. William Totok
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