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Ungarn: Wahlverhandlungen am Dreieckstisch

■ Ungarische KP (USAP) und Opposition einigten sich nach polnischem Vorbild / Gespräche über die ersten freien Wahlen 1990 beginnen am Dienstag / Fernsehen wird Verhandlungen live übertragen / KP-Leitung, Oppositionsgruppen und Gewerkschaften sitzen zusammen

Budapest (ap/dpa/taz) - Gespräche nach polnischem Vorbild werden jetzt in Ungarn zwischen Regierung und Opposition geführt, um die ersten freien Wahlen im nächsten Jahr vorzubereiten. Während in Polen am fast schon legendären runden Tisch verhandelt wurde, wollen sich die Ungarn an einen dreieckigen Tisch setzen. Die erste Gesprächsrunde beginnt am morgigen Dienstag und soll wie alle folgenden Gespräche live im Fernsehen aus dem Budapester Parlamentsgebäude übertragen werden. In der Vergangenheit hatten die Oppositionsgruppen immer wieder Gesprächsangebote der ungarischen KP (USAP) abgelehnt. Sie warfen der Partei vor, Scheinverhandlungen führen zu wollen, um die Opposition in das selbstverschuldete Chaos kommunistisch -stalinistischer Herrschaft einzubeziehen. Am Verhandlungstisch sollten zudem nicht nur einige der Partei genehme Dissidenten Platz nehmen, sondern alle Oppositionsgruppen. Die jetzige Einigung, so der Sprecher der Oppositionsgruppen Tölgyessy, wecke die Hoffung, einen Weg aus der Sackgasse zu finden, in der sich die ungarische Gesellschaft befinde. „Die Gespräche zielen einzig auf einen friedlichen Übergang zu freien Wahlen ab, die die Stärke der jeweiligen Parteien etablieren werden.“ Der ungarische ZK -Sekretär Fejti würdigte die Einigung als einen „wichtigen Meilenstein“. In der Vereinbarung über die Gespräche heißt es unter anderem: „Der Übergang eines Einparteiensystems zur repräsentativen Demokratie und die Schaffung eines Rechtsstaats ist nur mit freien Wahlen zu verwirklichen.“ Keine politische Kraft dürfe sich zum alleinigen Vertreter des Volkswillens erklären oder Rechte mit Maßnahmen einschränken, die nicht der Verfassung entsprechen.

Der dreieckige Verhandlungstisch symbolisiert die von der Opposition geforderte deutliche Trennung zwischen den Herrschenden und derOpposition. Während auf der einen Seite die ungarische KP unter Leitung von Parteichef Grosz Platz nimmt, wird auf der anderen Seite ein aus neun Oppositionsgruppen bestehendes Bündnis „Opposition runder Tisch“ sitzen, darunter die Sozialdemokraten, das Ungarische Demokratische Forum und die Liga Freier Demokraten. An der dritten Seite werden Vertreter eines Zusammenschlusses von der USAP angegliederten Organisationen, wie die offiziellen Gewerkschaften, sitzen.

Drei Tage nach Gesprächsbeginn, am 16. Juni, wird der 1958 hingerichtete ehemalige Ministerpräsident Imre Nagy in einer feierlichen Zeromie wieder bestattet. Dieser Termin, so urteilen Beobachter, habe die USAP unter Zugzwang gesetzt und weitgehend zur jetzt erfolgten Einigung beigetragen. Nagy und seine Weggefährten hat unterdessen der Oberste Staatsanwalt Ungarns rechtlich rehabilitiert, indem er die „illegalen Rechtssprüche annulliert“ und die „unschuldigen Personen freigesprochen“ hat.

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