piwik no script img

Unfall beim Freiwasser-SchwimmenTod im Warmwasser

Der Langstreckenschwimmer Fran Crippen ist mitten im Wettkampf gestorben. Wie konnte es dazu kommen, dass ein US-Spitzenathlet einfach so absäuft?

Fran Crippen bei einem seiner letzten Wettbewerbe. Bild: dapd

Fran Crippen hatte einen Traum. Er wollte zu den Olympischen Spielen nach London. Dafür trainierte er tagtäglich wie ein Besessener. In diesem Jahr hatte sich der Langstreckenschwimmer aus den USA auf Platz zwei der Weltcup-Wertung vorgekämpft. Beim letzen Rennen der Saison in Fujairah, Vereinigte Arabische Emirate, wollte der 26-Jährige noch einmal aufs Treppchen steigen und danach mit seiner Freundin ein paar Tage Urlaub in Italien machen.

Aber dazu sollte es nicht kommen. Denn Fran Crippen starb im 30 Grad warmen Wasser des Golfs von Oman. 350 Meter vor dem Ziel ging er unter. Crippen sank wie ein Stein auf den zehn Meer tiefen Grund. Taucher fanden ihn, die Schwimmbrille noch auf der Nase. "Wenn die Lunge voll mit Wasser ist, dann sinkt man mit bis zu 75 Meter in der Minute schnell", sagt Stefan Lurz, der im Deutschen Schwimmverband Referent für die Freiwasserschwimmer ist; Lurz Bruder Thomas ist einer der erfolgreichsten Langstreckler der Welt.

"Wenn ein Marathonläufer kollabiert, dann schlägt er sich vielleicht den Kopf blutig, wenn aber ein Schwimmer im Meer das Bewusstsein verliert, dann füllt sich die Lunge in zwei, drei Atemzügen mit Wasser, und man geht unter", sagt Lurz. Crippen sei ein erfahrener Mann gewesen, aber all seine Kenntnis von den Tücken dieser Sportart hätten ihm nichts genutzt, denn die Bedingungen waren irregulär, "das war zu hart", findet Lurz.

Nicht nur das Wasser hatte fast schon Badewannentemperatur, auch die heiße Luft klebte wie Brei an der Wasseroberfläche. Im 50-Meter-Schwimmbecken darf es nicht wärmer als 28 Grad sein. Für ihre Kollegen, die bis zu 25 Kilometer weit schwimmen, also ein Vielfaches der Beckenschwimmer, gibt es keine Temperaturobergrenze.

Als Fran Crippen bei der Verpflegungsstation 1,2 Kilometer vor dem Ziel vorbeischwamm, klagte der Mann aus Philadelphia über höllischen Durst. Drei, vier große Becher Wasser soll er gierig getrunken haben. "Ich kann gar nicht so viel trinken, wie ich durstig bin", sagte Crippen. Als er die letzte Station 500 Meter vor dem Ziel ansteuerte, bemerkte ein deutscher Betreuer: "Der sieht aber schlecht aus." Drei Minuten später starb Crippen.

Zunächst bemerkte es niemand. Viel zu wenig Begleitboote eskortierten die Schwimmer, die ihre Runden auf einem Zwei-Kilometer-Rundkurs drehten. Im Zielbereich, wo weitere drei Schwimmer zusammengebrochen waren, wurde Crippen von Athleten vermisst, auch von Thomas Lurz, der ihn noch an der Siebenkilometermarke gesehen hatte im Pulk der Führenden.

Die genauen Untersuchungen der Todesursache laufen derzeit. Der internationale Schwimmverband Fina ermittelt, der amerikanische auch. "Es ist tragisch, dass er aus der Freiwasserfamilie ausgeschieden ist", sagt Lurz, "er war so ein zuvorkommender Kerl", und erzählt davon, wie Crippen den Deutschen einmal uneigennützig mit Anzügen ausgeholfen hat.

Crippens Tod war vermeidbar, das weiß Lurz. Man hätte nur ein paar grundsätzliche Dinge regeln müssen, auch in der Fina. Es dürfe keine Rennen mehr in 30 Grad warmen Wasser geben, fordert Lurz. Für Profis solle die Temperaturspanne verbindlich zwischen 16 und 28 Grad liegen, für Minderjährige zwischen 18 und 28 Grad. Mehr Begleitboote müssten her. Es dürften nur noch absolute Profis ins Wasser, die ihr Können über Jahre nachgewiesen hätten. Und die Schwimmer sollten in Zukunft nur noch auf einem 1,25 Kilometer langen Rundkurs kraulen, damit man den Überblick behalten und im Unglücksfall schneller eingreifen könne.

Außerdem sollten Rennen idealerweise nur noch im Flachwasser ausgetragen werden. Verbesserungswürdig sei auch das Element, in dem sich die Freischwimmer tummeln. Denn mitunter kraulen die Athleten in Flüssen, die stark verschmutzt sind. "Die Qualität ist manchmal so unterirdisch, dass Schwimmer sogar krank werden", sagt Lurz, "das darf es bei einer olympischen Disziplin nicht geben."

Die Kritik reißt nach dem Unfall nicht ab. Weltmeisterin Angela Maurer ging mit dem örtlichen Veranstalter hart ins Gericht. "Die waren überhaupt nicht auf den Ernstfall vorbereitet. Die Organisatoren haben richtig Mist gebaut, was die Sicherheit der Schwimmer angeht", sagte Maurer in einem Interview. Auch sie habe kaum Begleitboote gesehen: "Das war bei dieser Menge von 80 Männern und Frauen unverantwortlich. Ich mache den Sport ja schon seit fünfzehn Jahren, doch so etwas habe ich noch nie erlebt", schimpfte Maurer. Rekordweltmeister Thomas Lurz wies darauf hin, dass Marathonläufe ja auch nicht in der knallenden Mittagshitze stattfänden, aber sie, die Langstreckler, müssten bei ähnlichen Bedingungen antreten.

"Es muss sich jetzt etwas tun", sagt sein Bruder Stefan, "ein Mensch ist gestorben." Fran Crippen wird morgen in der katholischen Kirche St. Matthews in Conshohocken, Pennsylvania, beerdigt. Und mit ihm auch sein Traum von Olympia.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

17 Kommentare

 / 
  • F
    frankAB

    Warum sollte er aussteigen. Ich denke nicht, dass er das wesentlich hat kommen spüren. Bei dem Adrenalin und der Konzentration fallen Schmerzen nicht gleich störend auf. Ich schwimme mitunter auch bis ich Kopfschmerzen bekomme, da ich die Erschöpfung nicht schnellgenug spüre.

  • S
    sportiv

    Also mir gefällt der latent männerfeindliche Artikel auch nicht - aber da steht: 75 m pro Minute - MINUTE. Das wiederum könnte schon sein.

     

    sportiv

  • L
    Laura

    "75 Meter in der Minute", steht dort. ;)

  • S
    stoeps

    Mich wundern zwei Dinge:

    Warum ist er nicht ausgestiegen? Selbst innerhalb der Hochleistungssportlogik: so mies, wie er sich fühlte, konnte er doch auch keine gute Platzierung/Zeit mehr erreichen bzw. musste mit einem massiven Einbruch auf den letzten zig Metern rehchnen ...

     

    Warum drehen sich fast alle Kommentare um die wohl falsche Sinkgeschwindigkeit? Ein Hinweis darauf hätte vollkommen genügt. Zumal der Kern der Aussage ja nicht die absolute Geschwindigkeit ist, sondern die Tatsache, dass man bewusstlos so unvorstellbar schnell sinkt ...

  • D
    Detlef

    Da steht 75 m in der MINUTE

  • JK
    jonas korte

    75m/s hin oder her, hätte das "absaufen" im Zusammenhang mit einem tödlich verunglückten Menschen denn unbedingt sein müssen?! Lieber Herr Völker, falls Sie dachten, dass das besonders cool kommt - nee, kommt es nicht...ganz im Gegenteil.

  • M
    mir_ist_schlecht

    Hoffentlich koennen die Freunde und Verwandten von Fran Crippen kein deutsch, denn das ein geliebter Mensch "abgesoffen" ist, liest man doch eher ungerne in der Zeitung. So eine Formulierung ist keine Werbung fuer die taz.

     

    Fuer die Leute, die hier kommentieren kann die taz ja nichts, aber Paula sollte mal ueberlegen, dass man in Saetze der Form "Alle amerikanischen Athleten sind Dopingsuender'" auch belieb andere Worte einsaetzen kann. Wie waer's mit "Auslaender"? Dumme Verallgemeinerungen, ob von rechts oder von links bleiben leider was sie sind: dumme Verallgemeinerungen.

  • U
    Unerträglich

    Da ist ein Mensch gestorben und einige Kommentatoren hier haben nicht besseres zu tun als lästern?

    Ihr kotzt mich an!

  • S
    S.K

    Vielleicht ein Tippfehler, 7,5 m/s könte gehen.(?)

  • B
    BEK

    "Wenn die Lunge voll mit Wasser ist, dann sinkt man mit bis zu 75 Meter in der Sekunde schnell", sagt Stefan Lurz"

    Ein Schwimmreferent mit Turbo und eine schnelle Feder, beide mit Schwächen in Physik, sind hier wohl eindrucksvoll, abgesoffen. Normalerweise werden ja immer die Milliarden und Millionen verschwurbelt. (;-)da feu man sich über ein wenig Abwechslung

  • H
    Holkan

    @egal: Ich kann gar nicht glauben, dass nicht ständig und immer wieder über die Dinge, die Dich faszinieren berichtet wird. Aber das mag daran liegen, dass Leute mit Ehrgeiz einfach interessanter sind als Phlegmatiker.

  • U
    umrechner

    75 m/s = 270 km/h wow

  • E
    egal

    ich kann gar nicht glauben, dass über so einen quatsch überhaupt berichtet wird. da wollen leute ständig an ihre eigenen grenzen, es muss immer noch schneller und noch weiter sein und dann wird rumgejammert, wenn die grenze erreicht ist. solche tode zu vermeiden ist relativ einfach: mit dem extremsport aufhören.

  • P
    Paula

    Der US-amerikanische Schwimmer war doch sicher bis oben hin vollgeknallt mit illegalen Dopingmitteln, die noch nicht nachweisbar sind. Außerdem bricht man einen Wettkampf ab, wenn man sich sehr schlecht fühlt. Alles für den Sport, alles für den Erfolg bis zum Tod!

  • M
    Mehr

    75 m/s in Wasser, ihr habt wirklich keine Vorstellung von den Dingen!

  • R
    Rainer

    Zitat:

    "Wenn die Lunge voll mit Wasser ist, dann sinkt man mit bis zu 75 Meter in der Sekunde schnell", sagt Stefan Lurz

     

    Blödsinn!

  • N
    nachrechner

    75 m pro Sekunde Sinkgeschwindigkeit? so schnell "sinkt" wohl nicht mal ein fallschirmspringer in luft.