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■ Und wieder einmal hat es sich in Salzburg ausgefestspieltDeze zu Denkmalen

Daß nicht die zarten Füße oder die schlaffen Schultern eines Künstlers von Interesse sind, daß vielmehr der Künstlerkopf kultisch verehrt wird, mag man einsehen. In Salzburg jedoch trägt die sogenannte Kopfkultur mittlerweile totalitäre Züge. Insbesondere zur Festspielzeit. Bekanntlich ist dort ja auf jedem zweiten Regenschirm und jeder Plastiktüte Mozarts Profil zu sehen. Mittlerweile hat man sich daran gewöhnt. – Oder auch nicht: Das Wolferl auf dem Kondom ist dem Konservativen weiterhin ein Greuel, obwohl er das verunstaltete Verhüterli ohnehin nicht verwendet. Es gehört zum guten Ton eines FAZ-Feuilletonisten, den Salzburger Mozart- Mumpitz zu verhöhnen. Selbstverständlich immer mit dem Nachsatz, der Umsatz rechtfertige die Mozartkugelfabrikation. Hingegen daß die Pralinen, so sie aus der Konditorei „Fürst“ stammen, gar nicht schlecht schmecken, darf nicht gesagt werden. Und doch weiß ich: Seit Frau Löffler in der Zeit die Kultur verwaltet, stehen die Schokoladendinger im Speersort gern mal auf den Redaktionstischen wohlgesonnener Kollegen.

In Salzburg indes gab in diesem Jahr ein anderer Dickschädel Anlaß für geistreiche Gespräche: Cellist Steven Isserlis. Dabei ist seine Physiognomie keineswegs außergewöhnlich; seine Haarpracht jedoch war der Hit; die wallende Mähne drohte stets sich zwischen den Saiten seines Streichinstruments zu verfangen, zumal Isserlis, der auch „der Romantische“ genannt wird, während der Mendelssohn-Konzerte heftigst mit der Rübe hin und her wackelte. In den Schaufenstern zahlreicher Salzburger Schallplattenläden hing zu Werbezwecken das zumeist starre Konterfei des Lockenschopfs aus. Nur bei der „Deutschen Grammophon“ bewegte sich des Werbeträgers Schädel; die angeklebten Zotteln wurden von einer Windmaschine zum Flattern gebracht. Gewiß hat man dort die meisten Isserlis-Platten verkauft.

Derweil wurden in der Salzburger Galerie Thaddeus Ropac unter dem Titel „Antlitz – Gesicht, Kopf und Portrait in der zeitgenössischen Kunst“ Kolbenprojekte von Lichtenstein, Ruff, Lüpertz und anderen prominenten Menschen zum Kauf feilgeboten. Die auf dem Kopf stehenden Köpfe von Baselitz waren natürlich auch dabei. Derart beliebt sind diese Gesichtsbilder, daß sie binnen kurzem den Besitzer gewechselt haben. Marie-Jo Lafontaine, die sich nicht mit ihrem Galerieauftritt bescheiden konnte, strahlte fiese Kinderfratzen an den Salzburger Mönchsberg und zog damit wieder einmal eine Debatte über ihren Willen zur triumphalen Ästhetik nach sich. Was wohl in ihrem Kopf vorgeht?

Der traurigste Schopf in Salzburg: Peter Steins Leidensmiene. Der Schauspieldirektor verläßt die Veranstaltung nach zu langer Leidenszeit. Der glücklichste Dez in Salzburg: Gérard Motier, Leiter der Festspiele, hat die geschwätzigen Skeptiker aus Wien zum Schweigen gebracht und wird mittlerweile selbst von den Gastronomen der Mozartstadt verehrt. „Geeister Nugatspitz Gérard Mortier auf weißem Pfirsichbett“ heißt die teuerste Nachspeise der Festspielsaison. Die meistgehaßte Fresse: Peter Sellars Grinsegesicht. Er hat György Ligetis „Grand macabre“ verhunzt und sich mit der Lesung von John Cages „Silence“ sinnlos wichtig gemacht. Die schönste Schnauze: Gert Voss, „Jedermann“-Star, durfte dieses Jahr um die bezaubernde Maddalena Crippa buhlen. Japanische Touristen sind in Salzburg unbeliebt: Ihre eigene Visage und den Spruch „I love Mozart, too!“ auf dem Shirt, zogen sie durch die Getreidegasse und machten damit gar nicht sich, sondern all die verehrten Hohlköpfe lächerlich. Carsten Otte

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