: Und sagt kein böses Wort
Die wunderbare deutsche Fußball-Nationalmannschaft gewinnt in einer Weltklassepartie gegen bärenstarke Kameruner hoch verdient mit 3:0 und macht sich zum Topfavoriten für die WM 2006
AUS LEIPZIG FRANK KETTERER
Spät am Abend wurde dann auch noch Bastian Schweinsteiger zur Sache verhört, und was der Jungnationalspieler aus München zum Tathergang zu sagen hatte, war nicht wirklich schmeichelhaft für den Gegner. „Von der Tribüne sah es so aus, als ob die sich gestritten hätten“, insistierte also ein Beobachter, und auch drunten auf dem Rasen hatte sich dieser Eindruck wohl breit gemacht, zumindest bei Schweinsteiger. „Ja, das haben sie gut erkannt“, pflichtete der 20-Jährige jedenfalls bei, zur weiteren Bestätigung hatte der junge Mann sogar eine Spielszene parat: „Da hatten die Freistoß und haben sich fast darum geprügelt, wer ihn schießt.“ Was Schweinsteiger prompt zu der nicht ganz abwegigen Vermutung Anlass gab, dass es „mit der Disziplin nicht so gestimmt hat“ unter Kameruns Fußballern – und dies den nur am Ende souverän wirkenden 3:0-Sieg der deutschen Nationalmannschaft im ebenso schmucken wie zugigen Leipziger Zentralstadion durchaus begünstigt haben könnte. „Das war ganz gut für uns. Das haben wir ausgenutzt“, fand Schweinsteiger.
Dass der Jungnationale aus München mit seinem Empfinden nicht gänzlich danebenlag, hatte ein paar Interviews zuvor schon Winfried Schäfer bei seinem letzten öffentlichen Auftritt als Trainer der „unzähmbaren Löwen“ anklingen lassen (siehe dazu auch das Portrait auf Seite 12). Leer war der Blick und leise die Stimme, als der 54-Jährige von den Vorkommnissen vor dem Spiel berichtete, bei denen es mal wieder um ausstehende Prämien für die Spieler gegangen war. Selbst ein Boykott der Partie wurde von den Mannen um Kapitän Rigobert Song kurzfristig in Erwägung gezogen, erst als Verbandspräsident Mohamed Iya die Auszahlung der säumigen Beträge zusicherte, entschloss sich die Mannschaft zumindest aufzulaufen. Viel zu retten war da freilich schon nicht mehr, die sich anschließenden 90 Minuten nutzte Kamerun jedenfalls nur noch zur vollkommenen Selbstdemontage, den sich anschließenden Rauswurf Schäfers inbegriffen.
Gut möglich, dass der Auftritt von Jürgen Klinsmann auch deshalb etwas befremdlich daherkam. Denn kaum hatte der geknickte Schäfer das Podest der Pressekonferenz verlassen, bestieg auch schon der Sonnyboy aus Kalifornien selbiges, um sein Fazit preis zu geben. „Unheimlich Spaß“, hatte dem Neu-Bundestrainer die Partie gemacht, „wirklich toll“ hatte er „die Art und Weise, wie die Mannschaft gespielt hat und wie sie Dinge umsetzt, die wir zuvor besprochen hatten“, empfunden. Und „sehr schön“ war es für ihn, mitzuerleben, „wie dann auch die Zuschauer mitziehen, wie sie es genießen und dahinter stehen“.
Das waren nun wirklich große Worte für so ein – zumindest fußballerisch – doch eher kleines Spiel. Vor allem aber waren Klinsmann bei seiner Analyse zwei Dinge ganz offensichtlich in Vergessenheit geraten, jedenfalls fanden sie keine Erwähnung. Erstens: Die deutsche Mannschaft hat am Mittwochabend gegen einen Gegner gewonnen, der, zumindest an diesem Tag, nicht mehr war als durch und durch verfaultes Fallobst. Zweitens: Sie hat dazu satte 71. Minuten benötigt – und bis zu diesem Zeitpunkt durchaus das ein oder andere Pfeifkonzert vom so genießenden Publikum geerntet. Erst danach, als Kamerun den Dienst am Ball vollständig eingestellt hatte, kamen Kurany (71) sowie zweimal Klose (78./88.) zu ihren Treffern.
Natürlich ist das übelste Schwarzmalerei à la taz. Und natürlich findet sich in der sonnigen Welt des Jürgen Klinsmann für so etwas keinen Platz, nicht ein Stückchen. Dafür zum Beispiel, dass die deutsche Mannschaft am Mittwoch unvermindert über weite Strecken des Spiels nur wenig Sinnvolles mit dem Ball anzufangen wusste, was zuvorderst Michael Ballack kein allzu gutes Zeugnis ausstellt, der zwar fleißig war, aber erneut nicht viel mehr. Oder dafür, dass die Abwehr mit Mertesacker, Huth, Lahm und Schneider (!) in erster Linie deshalb stabil stand, weil der Gegner gar kein Interesse daran zeigte, unbedingt ein Tor schießen zu wollen. „Die hatten in der ersten Halbzeit eine Chance und in der zweiten einen Schuss aufs Tor. Mehr war da nicht“, wunderte sich darüber selbst Abwehrspieler Huth. Oder schließlich dafür, dass die deutschen Stürmer im Prinzip erst trafen, als die Kameruner nicht nur den Angriff, sondern auch noch die Verteidigung aufgegeben hatten (wohl auch deshalb, um frischer in die Disko zu kommen, wo sie später den Rauswurf Schäfers feierten).
Nein, mit solch düsteren Wahrheiten will J. K. nichts zu tun haben, selbst wenn sie auf dem Platz stattfinden. „Wir arbeiten an den Stärken der Spieler und reden nicht von ihren Schwächen“, sagt Klinsmann schließlich. Wie das bei den Spielern ankommt, beschreibt Bastian Schweinsteiger: „Jürgen Klinsmann verwendet gar kein schlechtes Wort.“ Wäre ja auch noch schöner, wenn der neue Bundestrainer so unschöne Worte wie „Mist“ oder gar „Käse“ verwenden würde.
Würde Klinsmann nie tun, ganz bestimmt nicht (genauso wenig, wie es ihm als Spieler je eingefallen wäre, eine Werbetonne zu zertreten). Schließlich denkt J. K nicht nur stets positiv – sondern steckt damit auch noch alle anderen an, selbst die taz. Also: War natürlich ein Weltklassespiel am Mittwoch gegen den Weltklassegegner aus Kamerun. Und überhaupt: Weltmeister wird sowieso nur Deutschland!