Unabhängiges Sport-Schiedsgericht: Kungelei ausgeschlossen
In Deutschland gibt es nun ein unabhängiges Sport-Schiedsgericht. Als erster Verband werden die Leichtathleten die Dienste der neuen Instanz nutzen. Andere Organisationen zögern noch
KÖLN taz Die Glaubwürdigkeit des Sports ist angekratzt. Die Dopingproblematik ist präsent wie nie zuvor, auch liegt der Verdacht verschobener Wettkämpfe über einigen Sportarten. Nun wurde am Mittwoch im Kölner Sport- und Olympiamuseum das Konzept für ein "Deutsches Sport-Schiedsgericht" präsentiert, eine Instanz, die das Dopingproblem zwar nicht lösen wird, die aber den zweifelhaften Umgang vieler Funktionäre mit der Problematik zu neuer Seriosität verhelfen kann. Die Nationale Anti-Doping-Agentur (Nada) gilt als Initiatorin des Projektes, und die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS), die sich originär mit Konflikten in der Wirtschaft befasst, dient als Dach der Organisation, die als nationale Entsprechung des internationalen Sportgerichtshofes in Lausanne (CAS) betrachtet werden kann.
Bislang ist es üblich, dass die Verbände eigene Gerichte betreiben. Auch die Sanktionierung dopender Sportler wurde bislang von den internen Richtern vorgenommen. Weil jedoch "die finanzielle Ausstattung der Verbände von den Erfolgen abhängig ist, lag immer der Verdacht in der Luft, dass ein Verband gar kein Interesse an einer wirksamen Dopingbekämpfung habe", sagte Clemens Prokop, der Präsident des Deutschen Leichtathletikverbandes (DLV), der als erste Sportorganisation künftig alle Konflikte von der neuen Instanz verhandeln lässt.
Prokop hielt in Köln ein leidenschaftliches Plädoyer für das neue Schiedsgericht. Er nannte das Projekt einen "wichtigen Teil der Glaubwürdigkeitsoffensive" die der Sport nötig habe. "Wir haben große Fortschritte im Kontrollsystem gemacht, jetzt müssen wir auch den letzten Schritt gehen", forderte der Jurist in Richtung der anderen Sportverbände. Zwar haben offenbar auch die Bobfahrer, die Rodler und die Berufsboxer angekündigt, dem DLV folgen zu wollen, bei den richtig großen Verbänden wie dem Deutschen Schwimm-Verband oder dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) dominiert hingegen die Skepsis.
"Der deutsche Sport blickt auf eine Tradition der Verbandsgerichtsbarkeit", erklärte Prokop die Zurückhaltung, da spiele wohl "die Angst vor etwas Neuem eine große Rolle." Doch das ist wohl nur der eine Grund für die Zurückhaltung. In den wichtigen Verbänden sitzen Funktionäre, deren Macht und Autonomie mit einem Anschluss an das Schiedsgericht schwinden würden. DFB-Vizepräsident Dr. Rainer Koch ließ gestern ausrichten: "Bei uns gibt es keinen Bedarf."
Wenn jedoch im Jahr 2009 der neue Code der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) in Kraft tritt, wird eine unabhängige Sportsgerichtsbarkeit sinnvoller denn je. Bislang wird ja praktisch bei jedem Dopingfall die Pauschalstrafe von zwei Jahren ausgesprochen, ab 2009 kann indes deutlich flexibler sanktioniert werden. Dann würde ein verbandsinternes Gericht - oftmals von Ehrenamtlern geführt - leicht der Versuchung ausgesetzt sein, einen Starsportler nur bis kurz vor den nächsten Olympischen Spielen zu sperren.
Armin Baumert, der Vorstandsvorsitzende der Nada, berichtete in Köln von einem Gespräch, das er mit dem Präsidenten des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR), Rudolf Scharping, führte und in dem dieser "sinngemäß formulierte", dass der BDR mit dem verbandsinternen Gericht "anscheinend nicht viel weiter" komme. Der Bedarf sei demnach vorhanden, nun müsse es darum gehen, "die Verbände ein wenig unter Druck zu setzen", sagte Baumert.
In England, Kanada und den USA existieren solche Schiedsgerichte, deren Urteile auch nicht mehr vor einem staatlichen Gericht angefochten werden können, schon länger. Nur der CAS ist in Dopingfragen eine noch höhere Instanz. Zuletzt hat sogar der lange Zeit eher skeptische Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) "unsere Position sehr stark mitgetragen", sagte Baumert zufrieden. Er hofft, auch ohne das Zugpferd DFB, dass sich viele Verbände anschließen. Finanziert wird das Schiedsgericht einerseits mit einer Anschubzahlung von 50.000 Euro aus dem Haushalt des Landes Nordrhein-Westfalen, andererseits durch Mitgliedsbeiträge. Auch die Verbände, die auf die Dienste des Schiedsgerichts zurückgreifen wollen, müssen etwas dafür bezahlen. Das sei aber "deutlich günstiger, als ein eigenes unabhängiges Gericht zu betreiben", versicherte Prokop.
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