Umweltzone: Enten in der Falle
Ab 1. Januar gilt die Umweltzone. Die Feinstaubrichtlinien räumen mit einem alten Widerspruch auf: Besitzer von süßen Enten oder VW-Bussen müssen erkennen, dass ihre Autos Dreckschleudern sind.
Ab Januar gilt in Berlin offiziell die erste Stufe der Umweltzone. Dann dürfen nur noch Autos und Lastwagen innerhalb des S-Bahn-Rings fahren, die eine rote, gelbe oder grüne Plakette haben. Pkw und Lkw ohne Aufkleber müssen draußen bleiben. Der Senat hat nach Protesten aber eine Schonfrist von einem Monat eingeräumt. Wer ohne Plakette in der Innenstadt unterwegs ist, bekommt also erst ab Februar eine Geldstrafe von 40 Euro und einen Punkt in Flensburg verpasst. Von der ersten Stufe betroffen sind laut Senat 85.000 Fahrzeuge. Ihre Besitzer müssen Rußfilter einbauen lassen oder eine Ausnahmegenehmigung beantragen. Richtig ernst wird es erst im Jahr 2010: Dann tritt die verschärfte zweite Stufe in Kraft. Das heißt, dass nur noch Fahrzeuge mit grünem Sticker in die Zone dürfen. Der Senat schätzt, dass davon 114.000 Autos und Lastwagen betroffen sein werden. Die Plaketten erhält man bei allen Kfz-Zulassungsstellen, aber auch bei TÜV, Dekra und zahlreichen Werkstätten. Sie kosten ab 5 Euro. Die Zonen-Sticker gelten auch in den Umweltzonen anderer Städte. Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Linke) hat angekündigt, die Wirksamkeit der Umweltzone wissenschaftlich zu begleiten. "Wenn die prognostizierten Wirkungen für die Luft nicht eintreten sollten, dann muss man sehr genau überlegen, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind", sagte sie. Wer am 1. Januar allerdings auf reine Luft hofft, wird enttäuscht: Die Feinstaubbelastung dürfte vielmehr so hoch sein wie an keinem anderen Tag im Jahr. Grund sind die Hinterlassenschaften der Silvesterknaller. ALL
Wenn Martin Benner mit seiner Ente durch die Straßen kurvt, schauen ihm die Leute hinterher. Sein Auto ist hellblau und rosa lackiert, Stoßstange und Felgen strahlen golden. Von innen hat der 39-Jährige das Dach mit einem Leopardenfellimitat ausgekleidet. Ein tolles Kult-Gefährt. Wenn da nur nicht diese feinen kleinen Teilchen wären, die hinten aus dem Auspuff fliegen. Ihretwegen kann Benner bald nichts mehr mit seinem Citroen 2CV anfangen. Denn wenn zum Jahreswechsel in Berlin die Umweltzone eingeführt wird, darf der Mann aus dem Prenzlauer Berg mit seinem Wagen nicht mehr in die Innenstadt.
Nicht nur Enten, auch viele Käfer und ältere VW-Busse bekommen keine Plakette, die für die Umweltzone benötigt werden. "Wagen ohne Katalysator oder Filter stoßen vermehrt Schadstoffe aus", sagt Günter Schwarz von der Zulassungsstelle in Hohenschönhausen. "Wenn sie nicht die Norm erfüllen, erhalten sie auch keine Plakette."
Die Kultautos gehören vorrangig Menschen, die sich für irgendwie alternativ halten. Die Modelle stehen für eine bestimmte Lebenseinstellung. "Ente zu fahren hat etwas Religiöses", sagt Benner. Und mit einem VW-Bus kann man prima durch ganz Europa tuckern, darin kochen, schlafen und sich ein bisschen als Nomade oder Hippie fühlen.
Die neuen Richtlinien der Umweltzone räumen jetzt auch mit einem alten Widerspruch auf: Denn umweltverträglich sind die "Öko-Autos" keineswegs. "Diese Fahrzeugtypen sind Dreckschleudern", sagt Carmen Schultze, Sprecherin des BUND Berlin.
Martin Benner wird deshalb wohl auf sein zweites Auto ausweichen müssen. Neben der Ente besitzt er einen Citroen DS, eine französische Limousine mit hydropneumatischer Federung. Sie gilt offiziell als Oldtimer und darf deshalb trotz ihres Feinstaubausstoßes in der Umweltzone verkehren. Benner sagt: "Das ist doch verrückt. Anstelle der kleinen, leichten Ente fahre ich dann dieses Schiff, das einen viel höheren Verbrauch hat."
Tatsächlich rutschen die Enten in eine Lücke: Sie sind schon zu alt, um den Feinstaubvorgaben des Senats gerecht zu werden. Aber auch zu jung, um als Oldtimer durchzugehen. Dafür muss die erste Zulassung mindestens 30 Jahre zurückliegen. "Die meisten Enten stammen aber aus den 80er-Jahren", sagt Clemens Losch, der selbst gerne an seinen fünf Enten herumschraubt und von Kennern sogar als "Entengott" bezeichnet wird.
Losch sagt, dass man den Citroen 2CV auch mit einem Katalysator nachrüsten könne. "Aber der ist zurzeit nicht lieferbar." Rund 1.000 Euro koste der Einbau eines solchen Katalysators. Die Folge: "Viele geben ihre Ente auf, weil ihnen das zu teuer wird." Für die eckigen VW-Busse vom Typ T3, die häufig mit Diesel laufen, bietet das Volkwagenwerk keine Filter zum Nachrüsten an. Auch Besitzern von älteren VW-Käfern ohne Katalysator, die innerhalb des S-Bahn-Ringes fahren wollen, bleibt nichts anderes übrig, als sich selbst zu helfen. Oder den Wagen abzuschaffen.
So bedeutet die Umweltzone das Ende vieler Berliner Kultautos. Ihre Fahrer müssen sich nach anderen Formen der Fortbewegung umschauen. Carmen Schultze vom BUND findet das gut. "Natürlich sind diese Autos nostalgiebehaftet. Aber wer sich als alternativ begreift, sollte das auch anders ausdrücken können. Zum Beispiel, indem er auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigt."
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