Umweltschutz: Senat scheißt auf die Umwelt
Abgeordnete wollen, dass Behörden und Bezirke stärker nach Öko-Kriterien einkaufen. Dafür ist ein zweiter Anlauf notwendig - den ersten hatte der Senat ignoriert
Jetzt soll die Verwaltung doch noch grün einkaufen: Die Koalition aus SPD und Linken will in einem zweiten Anlauf die Behörden verpflichten, umweltschonenden Produkten den Vorzug zu geben. Dies sieht ein Gesetzentwurf vor, der am Montag mit den Stimmen von Rot-Rot den Umweltausschuss des Abgeordnetenhauses passiert hat. Das Gesetz sei "ein echter Meilenstein", sagte der SPD-Umweltpolitiker Daniel Buchholz. Auch die Grünen lobten den Ansatz. Die CDU kritisierte dagegen, dass es nun für Mittelständler komplizierter werde, Aufträge der öffentlichen Hand zu erhalten.
Der Senat, die Bezirke und die landeseigenen Unternehmen wie etwa BVG oder die Wohnungsbaugesellschaften kaufen pro Jahr Waren und Dienstleistungen im Wert von etwa fünf Milliarden Euro von Privatunternehmen. Das entspricht etwa einem Viertel des gesamten Landeshaushaltes. Die Europäische Union schreibt vor, dass größere Aufträge europaweit ausgeschrieben werden müssen. Dies soll sicherstellen, dass das beste Angebot den Zuschlag erhält und dabei kein Unternehmen bevorzugt oder benachteiligt wird. Im Jahr 2008 hatte das Abgeordnetenhaus mit den Stimmen von SPD, Linken, Grünen und CDU beschlossen: Bei der Entscheidung, welche Firma den Zuschlag erhält, sollen Ökokritierien mit einer Gewichtung von 33 Prozent berücksichtigt werden.
Die taz hatte nach einem halben Jahr überprüft, wie der Senat sich an den Beschluss gehalten hat. Das Ergebnis:Von allen 109 in diesem Zeitraum veröffentlichten europaweiten Ausschreibungen waren die Vorgaben in keinem einzigen Fall umgesetzt. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung unter Ingeborg Junge-Reyer (SPD), die die meisten Ausschreibungen herausgibt, führte zur Begründung an, dass Beschlüsse des Abgeordnetenhauses nicht verbindlich seien. Juristisch trifft das zu - der Senat muss sich nur an formale Gesetze halten.
Doch bei den Abgeordnten stieß die Ignoranz auf Unmut. Das führte dazu, dass die Vorschriften diesmal per Gesetz festgelegt werden. Und zwar so, dass die Verwaltung sie nicht mehr ignorieren kann. Der SPD-Politiker Buchholz sagte im Ausschuss: "Was meinen Sie, warum wir das Gesetz so scharf fassen? Aus Jux und Dollerei?"
Im Vergabegesetz soll es nach dem Willen der Koaltion nun heißen: "Auftraggeber sind verpflichtet, bei der Vergabe von Aufträgen ökologische Kriterien zu berücksichtigen." Außerdem soll die Verwaltung "die vollständigen Lebenszykluskosten" als Grundlage ihrer Entscheidung nehmen. Bei elektrischen Geräten wäre das etwa der Energieverbrauch. Damit haben Produkte eine höhere Chance, die zunächst mehr Geld kosten, dieses aber später durch genügsamen Verbrauch wieder einsparen.
Die Grünen-Abgeordnete Felicitas Kubala begrüßte ausdrücklich, dass die Koalition nun der Verwaltung den umweltverträglichen Einkauf per Gesetz vorschreiben will. Sie wünschte sich allerdings eine bessere Kontrolle und Evaluation der Vorgaben. Die CDU-Abgeordnete Cornelia Seibeld kritisierte, die Koalition setze damit gerade nicht auf Transparenz, Mittelstandsfreundlichkeit und Vereinfachung: "Sie machen es immer komplizierter und mittelstandsfeindlicher." Unternehmen, die sich um einen Auftrag bewerben wollen, müssten immer mehr Vorschriften beachten. Sie forderte, der möglichst wirtschaftliche Einkauf für die öffentliche Hand müsse im Vordergrund stehen. Auch der FDP-Abgeordnete Henner Schmidt kritisierte: "Sie unterschätzen sehr stark den Aufwand, der zusätzliche Kriterien für die Anbieter bedeuten." Ein Unternehmen mit wenigen Mitarbeitern sei damit schnell überfordert.
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