Umweltschutz im Osthafen: Speicher, du musst wandern
Heute entscheidet ein Gipfelgespräch darüber, ob der Abwasserspeicher „Luritec“ im Osthafen weiter betrieben wird.
Das Gezerre um den Abwasserspeicher im Osthafen könnte heute ein Ende finden. In einem Gespräch zwischen der Senatsverwaltung für Umwelt, den Berliner Wasserbetrieben (BWB) und dem Ingenieur Ralf Steeg, der den Speicher entwickelt hat, soll geklärt werden, ob die landeseigenen BWB die technische Innovation ankaufen und weiterbetreiben. Die größtenteils unter Wasser installierte Anlage verhindert, dass bei starken Regenfällen verschmutztes Wasser aus der Kanalisation in die Spree läuft, indem sie es zwischenspeichert und später in Richtung Klärwerk zurückpumpt.
Schon seit drei Jahren läuft der „Luritec“-Speicher im Testbetrieb. Seinem Entwickler zufolge hat er in dieser Zeit die Einleitung von 15 Millionen Litern Schmutzwasser verhindert. Ein Gutachten der TU Berlin bestätigt, dass sich das Prinzip technisch bewährt hat. Dennoch hat es in der vergangenen Zeit große Widerstände gegen die Übernahme der Pilotanlage gegeben. Unter anderem meldete der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ästhetische Bedenken an: Die Plattform über der Wasseroberfläche, die nach Steegs Konzept begrünt und begehbar sein soll, störe das Stadtbild.
Inzwischen hat sich das grün dominierte Bezirksamt umstimmen lassen – dafür bockt die Senatsverwaltung. In der vor Kurzem veröffentlichten Antwort auf eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Silke Gebel teilt Staatssekretär Engelbert Lütke Daldrup mit, das Land Berlin erwäge den Ankauf der Pilotanlage nicht. Zur Begründung verweist er auf das sogenannte Mischwassersanierungsprogramm, das die Wasserbetriebe vorantreiben, um die EU-Wasserrahmenrichtlinie in Berlin umzusetzen. Dabei entstünden unterirdische Speicher, die weitaus größere Mengen kontaminiertes Wasser aufnehmen könnten.
Das Volumen des Luritec-Speichers werde da „keine wesentliche Wirkung im Gewässer zeigen“. Tatsächlich nimmt sich die Wirkung von Steegs Unterwasser-Speicher bescheiden aus, vergleicht man sie mit den Effekten des offiziellen Sanierungsprogramms: Dessen Maßnahmen verhindern im selben Abschnitt der Kanalisation die Einleitung von jährlich 201.000 Kubikmetern Mischwasser in den Fluss, die Luritec-Anlage erspart dem Gewässer gerade einmal 7.500 Kubikmeter – so zumindest die Zahlen des Senats. Allerdings handelt es sich um ein modulares System, das nach Bedarf erweitert werden kann. Und auch die Anstrengungen der Wasserbetriebe bleiben weit hinter dem Ziel zurück, die Spree zu einem Fluss mit Badequalität zu machen: Auch nach Abschluss des Sanierungsprogramms werden laut Senat auf diesem Abschnitt noch 197.000 Kubikmeter Dreckwasser pro Jahr hineinfließen – unter anderem rund 315 Kilo Phosphor und 748 Kilo Ammonium-Stickstoff.
Das scheint der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) auszublenden, der sich am Dienstag in der Sache zu Wort meldete: Er rät dem Senat „dringend“ von einer Übernahme ab, freilich mit sonderbaren Argumenten: Das „Versprechen des Unternehmens, den Berlinern eine saubere Spree zurückzugeben, kann nicht eingelöst werden, da die Tanks nur einen Teil des Problems lösen, nämlich die Regenwasserüberläufe im Osthafen“. Dass diese eine Anlage das gesamte Problem lösen würde, hatte niemand behauptet – außerdem würde Steeg den Speicher im Falle einer Ablehnung vermutlich demontieren – die aktuelle wasserbehördliche Genehmigung endet am 22. April. Alles, was die Tanks derzeit auffangen, träte dann wieder zutage. Auch die „natürliche Eigenart der Landschaft“ sehen die Naturschützer durch die Anlage bedroht – es geht hier um ein über lange Jahre industriell genutztes Hafenbecken in einer Großstadt.
Ralf Steeg ist trotz allen Querschüssen zuversichtlich, dass die Politik seine Erfindung als zusätzliches System anerkennt und übernimmt. Er glaubt, dass die Plattformen über seinen Tanks von den Städtern als Erholungsflächen am Wasser angenommen würden: „Die Leute finden die Anlage gut.“
Leser*innenkommentare
JaneJ
Die Position des Berliner BUND halte ich für befremdlich. Schiffe sind im ehemaligen Flusshafen untypisch? Wo ist hier noch "natürliche Eigenart der Landschaft"? Es handelt sich um eine vielfach überformte Kulturlandschaft, die gerade in ein neues Stadium geht. Der Berliner BUND scheint ein sehr rückwärtsgewandtes Verständnis von Landschaft zu haben.
Es ist gut, wenn dieser Ort eine neue Nutzung bekommt, eine, die produktiv ist und der Wasserqualität zu Gute kommt. In der Berliner Zeitung stand zudem, dass der BUND auch behauptet, das könne gar nichts werden mit der Badewasserqualität, weil die Spree aus dem Oberlauf zu viele Belastungen mit sich führe. Wenn das stimmte, könnte man auch im Müggelsee nicht baden.
Natürlich kann man nicht mit einem "Schiff" Badewasserqualität erreichen. Das hat weder Herr Steeg noch sonst jemand behauptet. Vielmehr müsste es davon noch viel mehr geben, wenn die Erprobung erfolgreich verläuft.
Die Wasserbehörde ist auch nicht generell dagegen, sie hat jetzt nur andere Prioritäten, nämlich für die Spree in ganz Berlin die Werte der Wasserrahmenrichtlinie zu erreichen. Diese Anforderungen sind hygienisch geringer als die für ein Badegewässer.
Aber das eine schließt das andere nicht unbedingt aus.
Die Steegschen Schiffe könnten ja auch Einnahmen erzielen, wenn man einige - nicht alle - an geeigneten Stellen, wo keine Wohnnutzung angrenzt, zu Cafés etc. macht. Die Spree ist bis zur Mühlendammschleuse breit genug, um die Wasserspeicher zu platzieren. und wo man sie nicht sehen will, da kann man sie auch tiefer legen. Es gibt so viele Möglichkeiten. Man muss sich nur von rückwärtsgewandten Landschaftsbildern trennen, erkennen, dass Räume produktiv genutzt werden können und dabei positive Umweltwirkungen haben können. Sowas nennt man "green infrastructure" und wird von der EU zur Zeit massiv propagiert und gefördert.
Schön, dass der Bezirk nun das Experiment akzeptiert.