Umweltschäden durch Bergbau in Peru: Schweres Metall im Blut
Proteste gegen den Bergbaukonzern Xstrata und dessen Kupfermine fordern in der peruanischen Provinz Espinar vier Tote. Über die Region wurde der Notstand verhängt.
HAMBURG taz | Vier Tote und Dutzende von Verletzten lautet die Bilanz nach 12 Tagen der Proteste und Demonstrationen rund um Tintaya Marquiri. Der kleine peruanische Ort liegt rund zwölf Kilometer entfernt von der Provinzhauptstadt Espinar. Für die Region hat die Regierung von Staatspräsident Ollanta Humala mittlerweile den Notstand ausgerufen. Tintaya Marquiri ist nur einen Steinwurf von einer der ältesten Kupferminen Perus entfernt.
Tintaya heißt die Mine, die vor sechs Jahren vom Schweizer Bergbaukonzern Xstrata übernommen wurde und schon in der Vergangenheit für Konflikte gesorgt hat. „Vorwürfe wegen Umweltverschmutzung hat es auch früher schon gegeben, nur gibt es jetzt handfeste Beweise“, so Ernesto de la Jara. Der Anwalt vom Instituto de Defensa Legal, einer Menschenrechtsorganisation, hat Klage gegen Xstrata im Auftrag mehrerer Bauern eingereicht.
Dabei stützt sich der 47-jährige Jurist auf eine Studie des peruanischen Gesundheitsministeriums, das anhand von Blut- und Urinproben von 500 Anwohnern erhöhte Schwermetallkonzentrationen feststellte sowie auf die Ergebnisse von 50 Wasser- und 29 Bodenproben, die im Herbst letzten Jahres genommen wurden.
Über die Hälfte der Wasser- und fast alle Bodenproben weisen Schwermetall-konzentrationen auf, die deutlich über den Grenzwerten lagen. „Diese Ergebnisse und die Untätigkeit der staatlichen Behörden ist es, die in der Region für Unmut sorgt,“ erklärt Ruth Luque Ibarra. Sie arbeitet für eine Menschenrechtsorganisation der katholischen Kirche und war im Mai gemeinsam mit dem Bürgermeister von Espinar, Óscar Mollohuanca, in der Schweiz, um mit der Konzernführung zu sprechen.
Geschlossener Kreislauf
Ohne echte Ergebnisse, denn das Unternehmen hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Man arbeite bei der Kupfergewinnung mit einem geschlossenen Kreislauf, so dass die Wasserverschmutzung nicht auf die Bergbauaktivitäten zurückzuführen sei, heißt es in einer Xstrata-Stellungnahme. Diese Haltung des Konzerns und die Untätigkeit der nationalen Behörden hat zu den Protesten beigetragen, kritisiert José de Echave.
Der Bergbauexperte war bis zum November 2011 Vizeminister im Umweltressort und trat wegen der zahlreichen Konflikte im wichtigsten Wirtschaftssektor des Landes und der fehlenden Konfliktlösungsstrategie der Regierung zurück.
„Wir brauchen endlich einen Flächennutzungsplan, um verbindlich festzulegen, wo geschürft werden darf und wo nicht. Zudem fehlen uns die Kontrollinstrumente, um Umweltdelikte nachzuweisen und auch zu ahnden“, mahnt de Echave. Er arbeitet heute für die Nichtregierungsorganisation Cooperacción und sieht Investoren und die Abnehmer von Industrie und Edelmetallen in der Pflicht.
„Freihandelsverträge wie zwischen der EU und Peru lassen wenig Spielraum, um die Umweltgesetzgebung zu verbessern. Unternehmen können im schlimmsten Fall vor Gericht ziehen und auf Schadensersatz klagen, weil sich die Investitions-bedingungen negativ verändert haben“, schildert de Echave ein elementares Problem.
Besuch bei Merkel
Auch die Rohstoffpartnerschaften wie sie die Bundesregierung mit Chile, Peru und anderen Staaten anstrebt, sind aus dieser Perspektive nicht unproblematisch. Die deutschen Rohstoffinteressen und das Freihandelsabkommen werden beim Besuch von Perus Präsident Ollanta Humala am 12. Juni im Kanzleramt auch auf der Agenda stehen. Falls Humala wirklich kommt, denn der Bergbau hält seine Regierung seit Monaten in Atem.
Neben dem neuen Konflikt um Xstrata schwellt auch der Konflikt um die Ausweitung der Goldmine Yanacocha – das so genannte Proyecto Conga – weiter. Dort, in der Region von Cajamarca, rund sieben Fahrtstunden von Lima entfernt, hat es gestern wieder eine Demonstration gegeben.
Allerdings erstmals für die Ausweitung des Goldbergbaus in der Region. Noch im Dezember 2011 hatten die Proteste gegen das Goldminenprojekt – wie jetzt in Espinar – dazu geführt, dass ebenfalls der Notstand ausgerufen wurde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
FDP-Krise nach „Dday“-Papier
Ex-Justizminister Buschmann wird neuer FDP-Generalsekretär
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“