piwik no script img

Umweltminister unter DruckEiner lügt beim Rußfilter-Skandal

Sigmar Gabriel wird kritisiert, weil tausende defekte Rußfilter in Dieselfahrzeuge eingebaut wurden. Die Opposition wirft ihm vor, sein "Versagen zu vertuschen".

Gabriels Ministerium hatte schon 2006 Kenntnis von den defekten Rußfiltern. Bild: dpa

Für Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) ging es am Mittwoch im Bundestag ans Eingemachte. Er musste dem Umwelt- und Verkehrsausschuss Rechenschaft ablegen, warum viele Autofahrer defekte Rußfilter einbauen ließen. Die Opposition wirft ihm vor, die Panne kleinreden zu wollen. FDP und Grüne forderten in der Ausschusssitzung personelle Konsequenzen im Ministerium. Und Jürgen Resch von der deutschen Umwelthilfe meint: "Gabriel will das Versagen vertuschen."

Seit April 2007 wird der Einbau von Dieselrußfiltern in alte Autos gefördert. 170.000 Pkw-Besitzer haben das seither machen lassen. Doch das Projekt entwickelte sich zum Debakel: Rund 60.000 Filter funktionieren nicht. Messungen haben bestätigt, dass Filter der Firmen GAT, Tenneco und Bosal noch nicht einmal die per Gesetz geforderten 30 Prozent des krebsverdächtigen Rußes herausfiltern. Der Schaden durch die Attrappen wird auf 70 Millionen Euro geschätzt.

Dabei besaß Gabriels Behörde bereits im Jahr 2006 detaillierte Kenntnisse über die mangelhaften Filter. Den Nachweis hatte eine Studie erbracht, die das Umweltbundesamt bei der Schweizer Ingenieursfirma TTM Mayer im März 2006 in Auftrag gegeben hatte. Die Messungen zeigten: drei von vier getesteten Fabrikaten funktionieren überhaupt nicht. "Da hätten die Alarmglocken klingeln müssen", sagte Andreas Mayer von TTM der taz.

Seine Ingenieursfirma entwickelt seit mehr als 20 Jahren Filtersysteme. Von ihr stammt auch die Schweizer Prüfnorm für Rußfilter, die mittlerweile weltweit anerkannt ist: Sie wird etwa in Kalifornien, Chile oder Dänemark zum Filtertest herangezogen. Auch die EU hat Mayers Methodik zur Grundlage für künftige Abgasnormen gemacht. Nur Minister Gabriel setzt alles daran, die Schweizer als Dilettanten hinzustellen.

Sein Ministerium weigerte sich im Oktober 2006, die Ergebnisse von TTM zu veröffentlichen. "Die TTM-Ergebnisse sind mangelhaft, weil sie nicht nach deutschen Prüfvorschriften durchgeführt wurden", erklärt Gabriel. Diese sind in der "Anlage 26" der Straßenverkehrsordnung festgelegt - und umstritten. Andreas Mayer hält sie für unbrauchbar, weil nach ihr weder die Größe noch die Anzahl der ausgestoßenen Partikel und gefährlichen Begleitemissionen gemessen werden müssen. Mayer: "Alles zusammen ist aber für die Giftigkeit der Abgase entscheidend." Das Umweltministerium fürchtete Mayers miese Resultate: Sie können "Munition gegen unsere Nachrüstungskonzeption liefern". Dies schrieb der zuständige Abteilungsleiter Uwe Lahl schon im August 2006 per Mail an Gabriels Staatssekretär Mathias Machnig, die der taz vorliegt. Fortan deklarierte das Umweltministerium Mayers Studie als fehlerhaft.

Dabei hat derselbe Uwe Lahl zunächst alles bestens gefunden. "Herr Lahl hat mich persönlich im Juni 2005 in einem Gespräch beauftragt, die Studie nach Schweizer Kriterien durchzuführen", sagt Mayer. "Ich hätte den Auftrag sonst auch abgelehnt."

Laut Machnig war es anders. Vor einigen Wochen erklärte er im Umweltausschuss des Bundestags, sein Ministerium habe im Januar 2006 per Mail Tests nach deutschen Standards verlangt. Diese sei an den Auftraggeber der Studie, das Umweltbundesamt, gegangen. Die E-Mail kann er aber nicht vorlegen. Mittlerweile hat er seine Version geändert: Es gebe keine Mail, sondern ein untergeordneter Mitarbeiter habe damals im Umweltbundesamt angerufen.

Unstrittig ist nur eins: Weder in der Leistungsbeschreibung für das Umweltbundesamt noch im Vertrag mit der Firma TTM vom März 2006 wurden deutsche Prüfstandards gefordert. Minister Gabriel pocht aber darauf, dass seine Mitarbeiter oft interveniert hätten. Er will niemanden entlassen - und gibt die Schuld dem Umweltbundesamt. Diese ihm untergeordnete Behörde aber weist die Schuld von sich. Klar ist: Irgendjemand lügt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!