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Umweltminister entleert sein Füllhorn

Dieses Jahr fließt eine Umwelt-Soforthilfe von 800 Millionen Mark in den verseuchten Osten/ Eine ökologische Sanierungsgesellschaft in Brandenburg soll 5.000 Arbeitslose auffangen  ■ Aus Potsdam Irina Grabowski

Bundesumweltminister Klaus Töpfer hat seine erste Runde im Osten gedreht. Als letzte kamen Landräte und Umweltdezernenten des Landes Brandenburg in den Genuß Töpferscher Darstellungskünste. Auch ihnen wollte er das von der Bonner Regierung kreierte „Umweltschutz-Sofortmaßnahmenprogramm“ verklickern und entleerte zunächst das Füllhorn über den Kommunalpolitikern.

800 Millionen Mark werden von West nach Ost fließen — davon 128 Millionen ins Märkische Land. Zusätzlich stellte der Minister den Ost- Ländern zwei Milliarden Mark von der geplanten Abfallabgabe in Aussicht. Mit sechs Milliarden Mark aus dem Aufbauplan „Aufschwung Ost“ sollen die Personal- und Sachkosten für 300.000 ABM-Stellen bezahlt werden. Auch in Brandenburg soll das der Sanierung von Altlasten zugute kommen. Allein 2.000 Deponien müßten sofort geschlossen werden, weil sie den neuen gesetzlichen Anforderungen nicht entsprechen. Mit der Lausitzer Braunkohlen AG, berichtet der Minister, sei man übereingekommen, 5.000 von Arbeitslosigkeit bedrohte Beschäftigte als ABMer in einer ökologischen Sanierungsgesellschaft aufzufangen. Die Landräte sollten doch mal nachschauen, ob in ihrem Kreis nicht auch ein kleineres über ABM und Fördermittel finanzierbares Projekt schlummert. „Kleine Genehmigungsschreiben“ würden schneller arbeitsmarktwirksam.

Hier war für einige Dezernenten der Punkt zum Haareraufen gekommen. Ob er es denn noch vor seiner Pensionierung erleben werde, daß die seit Monaten zwischen den Behörden pendelnden ABM-Anträge genehmigt würden, fragte der jung- dynamische Umweltrat aus dem Kreis Cottbus-Land Harald Wilken. Ein anderes Problem: Ein See im Kreis Prenzlau wird wohl zur Verzweiflung der Anwohner langsam aber sicher den Sauerstofftod sterben. Der Bund sah sich nicht in der Lage, trotz gefüllter Kasse 4.000 Mark für eine Belüftungsanlage unbürokratisch herüberzureichen, denn für Gewässer erster Ordnung sei das Land zuständig.

Doch bevor Brandenburgs Umweltminister Platzeck aus dem Vollen schöpfen kann, muß erst die vorbereitete Verwaltungsvereinbarung mit dem Bundesumweltministerium unterschrieben werden. Im vorigen Jahr hatten die Bonner Umweltbeamten, weil die Länder im Entstehen waren, die Fördermittel in Höhe von 500 Millionen Mark selbst an die Kommunen verteilt. Darüber hinaus wurde einigen Gemeinden per Verpflichtungsermächtigung finanzielle Hilfe zugesagt, für die nach dem Gesetz nun die Länderhaushalte herhalten müßten, die dies nicht können.

Diese „kleinen“ Hemmnisse verblassen vor dem Problem der sowjetischen Truppenübungsplätze — eine über 280.000 Hektar große ökologische Altlast. In der vergangenen Woche wurde der Truppenentflechtungsplan vom Obersten Sowjet ratifiziert. Die Entschädigung, die die sowjetische Seite für die zurückgelassenen Werte erhalten soll, werden mit den Kosten für die Sanierung verrechnet. Im Kreis Beeskow haben sowjetische Soldaten zur Selbsthilfe gegriffen: Tausende Kubikmeter kontaminierter Boden von einem Tanklager wurden in ein privates Waldstück verbracht, Abfälle wurden außerhalb der Kasernen in Gräben geschüttet und „abgetarnt“. Im verlassenen Beeskower Gelände verbreiten Kadaverreste und Unrat Seuchengefahr. Das Landratsamt hat das Bundesvermögensamt, das nach dem Abzug für die sowjetischen Truppenübungsplätze und Kasernen zuständig ist, darüber informiert, aber nichts ist bisher geschehen. In Königs Wusterhausen entstand die Idee, in einer Bodenaufbereitungsanlage sowjetische Soldaten gegen D-Mark-Bezahlung zu beschäftigen. Minister Töpfer zeigte sich geneigt, dieses Projekt „bundesseitig“ zu unterstützen. Er muß bei diesem sensiblen Thema im Osten Punkte sammeln. Anfang des Jahres hatte er den Auftrag für die Altlastenbewertung in Höhe von 70 Millionen Mark der Industrie- und Anlagenbau GmbH Ottobrunn bei München versprochen. Daraufhin haben im Potsdamer Magistrat über 100 Vertreter ostdeutscher Firmen und Institute demonstriert, daß auch sie ausreichend qualifiziert seien und nur auf die Ermutigung durch Aufträge warten. In der letzten Woche haben die Umweltminister der Ost-Länder dem Minister einen Beschluß vorgelegt, wonach die Bewertung von einer neu zu gründenden Gesellschaft vorgenommen werden soll, mit mehrheitlich ostdeutschen Unternehmen. Der Minister hat auf eine offizielle Antwort bisher verzichtet.

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