Umstrittenes Frauengesetz in Afghanistan: Karsai spricht von Übersetzungsfehlern
Nachdem US-Präsident Obama und Kanzlerin Merkel sich über neue afghanische Frauengesetz empört haben, das Vergewaltigung in der Ehe legalisieren soll, ordnet Präsident Karsai eine Überprüfung an.
BERLIN/KABUL rtr Nach internationalen Protesten hat Afghanistans Präsident Hamid Karsai ein neues Gesetz vorerst auf Eis gelegt, das Ehemännern weitreichende Verfügungsgewalt über ihre Frauen bis hin zur Vergewaltigung einräumen soll. US-Präsident Barack Obama hatte zuvor erklärt, das Regelwerk sei nicht zu akzeptieren. Zwar müsse man lokale Kulturen achten, aber es gebe weltweit gültige Grundsätze. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte den Entwurf in einem Zeitungsinterview inakzeptabel: "Wir kämpfen dafür, dass alle Menschen in Afghanistan die gleichen Rechte haben."
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier intervenierte telefonisch bei seinem afghanischen Kollegen Rangin Dadfar Spanta. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes leitete Karsai eine juristische Überprüfung des Vorhabens ein. Nach dem noch nicht in Kraft getretenen Gesetz sollen Frauen das Haus nur mit Zustimmung ihres Ehemannes verlassen dürfen. Außerdem soll es die Vergewaltigung von Frauen in der Ehe erlauben. Karsai verteidigte unterdessen das Vorhaben. "Wir verstehen die Bedenken unserer Verbündeten. Diese sind eventuell auf eine inadäquate oder nicht so gute Übersetzung des Gesetzes zurückzuführen oder auf eine Fehlinterpretation", sagte Karsai. Der Justizminister werde Einzelheiten des Gesetzes nach "sehr, sehr sorgfältiger" Prüfung am Sonntag vorstellen. Falls dabei Zweifel entstünden, werde es zurück ans Parlament geleitet, sagte er weiter. Karsai hat das Gesetz schon unterzeichnet. Es ist aber noch nicht in Kraft, weil es bislang in keinem offiziellen Amtsblatt veröffentlicht worden ist.
Laut Artikel 132 heißt es in dem Gesetz: "Eine Frau ist dazu verpflichtet, die sexuellen Wünsche ihres Ehemannes zu erfüllen." Zudem soll sie sich schminken, wenn ihr Mann dies verlangt. Ein Mann hingegen sollte jede vierte Nacht bei seiner Frau verbringen und mit ihr mindestens ein Mal in vier Monaten sexuellen Kontakt haben. Artikel 137 zufolge darf eine Frau im Fall des Todes ihres Mannes nichts von diesem erben. Laut Änderungen darf eine Frau alleine das Haus verlassen, um zum Arzt, zur Arbeit oder zu Bildungseinrichtungen zu gehen. Zudem wurde das Mindestheiratsalter für Frauen von 9 auf 16 Jahre angehoben.
Afghanische Kritikerinnen des neuen Familiengesetzes wie die Abgeordnete Schinkai Karochaid warnen vor ernsthaften Rückschritten. Karsai habe das Gesetz nur unterschrieben, um die Schiiten im Vorfeld der im August geplanten Präsidentenwahl zu besänftigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen