Umstrittenes Erdgasprojekt in Peru: Deutschland fördert Raubbau
Die Weltbank entscheidet heute, ob sie den Ausbau des umstrittenen Erdgasprojekts in Perus Regenwald finanziert. Unsere Regierung will trotz Umweltsünden zustimmen.
Perus ehrgeizigstes Erdgas-Projekt mitten im Amazonasbecken hat nicht nur bei Umweltschützern und Menschenrechtlern einen schlechten Ruf. Seit Jahren steht das unter Federführung des US-Ölfirma Hunt Oil realisierte Großprojekt "Camisea" wegen massiver Schäden für Mensch und Natur in der Kritik: Nach einem Bericht der US-Umweltorganisation Amazon Watch wurde mit der Erdgasförderung in einem der wertvollsten und empfindlichsten Ökosysteme der Welt gleich reihenweise gegen internationale Umwelt- und Sozialstandards verstoßen. Erst im vergangenen Dezember verhängten die peruanischen Behörden deshalb eine Strafe von 1,05 Millionen US-Dollar gegen das Konsortium internationaler Ölkonzerne.
Dennoch wird die International Finance Corporation (IFC) - eine Fördergesellschaft der Weltbankgruppe - heute voraussichtlich den weiteren Ausbau des Projekts mit 300 Millionen US-Dollar öffentlicher Gelder finanzieren. Auch die Bundesregierung, die im IFC-Verwaltungsrat sitzt, wird wohl dem Kreditantrag zustimmen - und damit anfängliche Bedenken aufgeben.
Eigentlich soll die IFC mit Hilfe von Krediten an die Privatwirtschaft helfen, die Armut in weniger entwickelten Ländern zu verringern. Doch beim Megaprojekt Camisea gibt es bislang dafür nur wenige Anzeichen. Seit 2004 wird im Amazonas-Regenwald in Perus Südosten Erdgas gefördert. Über eine Hauptpipeline wird das Gas über die Anden bis an die pazifische Küste transportiert. Nun soll für insgesamt 1,6 Milliarden US-Dollar eine weitere Pipeline und eine Anlage gebaut werden, in der das Erdgas für den Export in die USA und nach Mexiko verflüssigt wird.
"Eine Beteiligung der Weltbankgruppe wäre ein weiterer Schlag gegen die Rechte und Interessen der peruanischen Bevölkerung", sagt Daniela Sutton von der Entwicklungsorganisation Weed. 80 Prozent des Fördergebietes liegen in einer Schutzzone des Regenwaldes, die eigens für die in freiwilliger Isolation lebenden indigenen Bevölkerungsgruppen eingerichtet wurden. Das peruanischen Gesundheitsministeriums hat festgestellt, dass seit Beginn des Camisea-Projekts in dem Schutzgebiet die Todesfälle unter Indigenen wegen eingeschleppter Krankheiten stark zugenommen haben. "Die Betroffenen wurden kaum angehört", so Sutton.
Auch der Lebensraum der Ureinwohner hat gelitten: Im Zuge des Camisea-Projekts kam es auch zu illegalen Rodungen und zu Luft- und Wasserverschmutzung. 40 Prozent der Rohre für die Gaspipelines wurden aus alten Beständen verwendet und waren schon beim Bau der Leitung teilweise korrodiert. Schon nach zwei Jahren kam es zu sechs größeren Lecks, die normalerweise erst nach 40 Jahren auftreten. Auch der Tierbestand habe sich reduziert, so Amazon Watch.
Auch Ökonomen melden Zweifel an. Nach einem Gutachten des Harvard-Forschers Glen P. Jenkins würde sich Peru durch den Export des Erdgases wirtschaftlich wahrscheinlich schlechter stellen, als wenn es das Gas innerhalb seiner eigenen Wirtschaft nutze. Doch alle Bedenken scheinen die Geldgeber bei der Weltbankgruppe nicht zu beunruhigen. Sie bescheinigen der Exportpipeline, alle hauseigenen Umwelt- und Sozialstandards zu erfüllen. Auch die Bundesregierung wird dem Kreditantrag wohl zustimmen: Das Projekt helfe, "zur wirtschaftlichen Entwicklung Perus beizutragen", schreibt sie in einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen im Bundestag. "Geld von der Weltbank für Camisea würde beweisen, dass deren soziale und ökologische Standards eine Maskerade sind", so Ute Koczy, Umweltsprecherin der Grünen.
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