Umstrittene Gemeindefusion: Morddrohungen gegen Politiker
In einer niedersächsischen CDU-Hochburg bekommen CDU-Politiker Morddrohungen, nachdem sie sich für eine "Einheitsgemeinde" einsetzten.
Das Städtchen Ankum nahe Osnabrück steht seit jeher in Treue zur CDU. Bei den letzten sechs Wahlen holte die Union hier im Durchschnitt 69,3 Prozent. Das geht auch auf das Konto des 67-jährigen Reinhold Coenen. Seit 1972 im Kommunalparlament, zehn Jahre Bürgermeister, seit 15 Jahren im Landtag. Doch jetzt muss sich der Osnabrücker Staatsschutz darüber Gedanken machen, ob Coenen Personenschutz braucht, weil manche Ankumer ihn wegen "Heimatverrats" umbringen wollen.
Der abstruse Fall begann 2008. In Hannover dachten Landespolitiker laut darüber nach, dass künftig "nur noch Gemeinden ab 10.000 Einwohner lebensfähig" seien, das Innenministerium signalisierte finanzielle Unterstützung für Fusionen. Da ergriffen Coenen und sein Parteikollege, der Bersenbrücker CDU-Samtgemeindebürgermeister Michael Lübbersmann, die Initiative. Seit fast 1.000 Jahren trennen nur sechs Kilometer Hügelland die beiden Städte. Ein bisschen Mittelstand gibt es hier, ein bisschen historische Altstadt. Und zusammen 16.000 Einwohner, vielleicht genug für das begehrte Label "Mittelzentrum". Eine "Stärkung des Raumes" könne eine Fusion sein, sagte Coenen und im September nahmen Ankum und Bersenbrück Fusionsgespräche auf.
Doch ihre Bürger waren nicht begeistert. Eine "Initiative Pro Ankum" sammelte fast 1.300 Unterschriften gegen die "Einheitsgemeinde". Einigen ging die Unterschriftensammlung nicht weit genug. Im Oktober drohten "Junge Ankumer gegen die Einheitsgemeinde" dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Günter Kosmann, er "sollte aufpassen, dass Sie nicht bald Ihrem Sohn Gesellschaft leisten". Kosmann hatte die Fusion unterstützt, sein Sohn war kurz zuvor verstorben. Die Absage an die Einheitsgemeinde sei "eine Frage der nationalen Ehre Ankums" schrieben die Fusionsgegner, die sich "in völliger Übereinstimmung mit der Mehrheit in unserem einmaligem Dorf" sahen. "Das ist ein unglaublich emotionales Thema," sagte Kosmann und wünschte sich "mehr Sachlichkeit". Er stehe aber weiter zu den angestellten Überlegungen. Im Mai begruben die beiden Städte jedoch das Projekt. "Die Zeit ist nicht reif für Gespräche", befand Mitinitiator Lübbersmann.
Und trotzdem erhielt Coenen jetzt ein Schreiben, das forderte, dass "Coenen weg muss". Und zwar nicht irgendwie. "Der Hauptfeind soll so gequält werden, dass er und seine Vasallen tot sind. Unsere Kameraden werden (...) sich nicht einschüchtern lassen", heißt es weiter, bevor von einer "Endschlacht um das 1.000-jährige Ankum" geschrieben wird. "Wir fangen erst an."
Coenen erinnert der Jargon an Rechtsradikale. Die seien in Ankum zwar bisher nicht in Erscheinung getreten, "aber man weiß ja nie, wo die plötzlich um die Ecke kommen", sagt er. Er nehme die Sache "jedenfalls nicht auf die leichte Schulter" - zumal es nicht die erste Drohung sei: Als er eine Opernaufführung organisierte, sei eine Bombendrohung eingegangen. Weil "die Fusionspläne für diese Legislaturperiode ja vom Tisch sind" könne er sich das nur so erklären, dass jemand "unheimlichen Zorn auf mich hat". Er übergab den Brief der Polizei Osnabrück.
"Es wird derzeit noch geprüft inwiefern da eine Ernsthaftigkeit gegeben ist und ob da weiterführende Maßnahmen nötig sind", sagt die. Zum ersten Drohbrief könne man nichts sagen.
In den letzten Monaten hatten auch CDU-Politiker im im emsländischen Dörpen Drohbriefe bekommen. Dabei ging es um den geplanten Bau eines Kohlekraftwerks an der Ems. Von einer entsprechenden Tendenz will man bei der Polizei nicht sprechen: "Wir sehen keine Zunahme von Drohbriefen gegen Politiker." Zwar "kommt es auf die Brisanz des jeweiligen politischen Hintergrunds an, das nimmt aber insgesamt nicht zu".
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