Umgang mit behinderten Flüchtlingen: Doppelt schutzlos

Flüchtlingskinder mit Behinderungen sind besonders schutzbedürftig. Doch Berlin erfasst weder sie noch ihre speziellen Bedürfnisse.

Neues Flüchtlingsheim in Berlin

Sind oft nicht barrierefrei: Flüchtlingsheim in Berlin Foto: dpa

Der Senat weiß nicht, wie viele Flüchtlingskinder mit Behinderungen in Berlin leben. Er weiß dementsprechend auch nicht, wie viel Personal benötigt wird, um die speziellen Bedürfnisse dieser Flüchtlingsgruppe zu decken. Das geht aus einer noch unveröffentlichten Antwort der Senatsverwaltung für Soziales auf eine Kleine Anfrage der kinder- und jugendpolitischen Sprecherin der Grünen-Fraktion, Marianne Burkert-Eulitz hervor, die der taz vorliegt. „Eine gesonderte statistische Erfassung dieser Personengruppe erfolgt nicht“, heißt es darin. „Aus diesem Grund ist auch keine Einschätzung über die erforderlichen Personalressourcen möglich.“

Flüchtlinge mit Behinderungen gelten nach EU-Richtlinien wie Schwangere, alleinerziehende oder traumatisierte Flüchtlinge, Alte und Minderjährige als besonders schutzbedürftig. Angehörige dieser Flüchtlingsgruppen sollten direkt bei der Aufnahme identifiziert werden, damit bei ihrer Unterbringung und Versorgung ihre speziellen Bedürfnisse berücksichtigt werden können.

Dass das in Berlin in Bezug auf behinderte Kinder in der Regel nicht geschieht, prangern Fachkräfte seit langem an. So würden Flüchtlingsfamilien mit behinderten Kindern oft nicht barrierefrei untergebracht, auf die Bewilligung von Hilfsmitteln wie Rollstühlen oder nötige Therapien müssten sie teils jahrelang warten, was den Gesundheitszustand der Kinder häufig verschlimmere, heißt es in einer Broschüre zu einem 2014 abgehaltenen Fachsymposium. Dessen TeilnehmerInnen forderten damals unter anderem eine besser geregelte Bedarfsfeststellung und schnellere Leistungsverfahren.

Seither sei jedoch „nichts passiert“, so Burkert-Eulitz. Und Besserung ist nicht in Sicht: Aus der Antwort auf ihre Anfrage geht auch hervor, dass die einzige auf diese Flüchtlingsgruppe spezialisierte Beratungsstelle in Berlin im September mangels Weiterfinanzierung schließen muss.

Der Senat sieht dennoch offenbar keinen Handlungsbedarf. Schließlich stünden „alle Beratungsstellen der öffentlichen und freien Jugendhilfe auch Flüchtlingsfamilien mit Kindern und Jugendlichen mit Behinderung“ offen. Sozialstaatssekretär Dirk Gerstele verweist in seiner Antwort etwa ausdrücklich auf den Fachdienst Migration und Behinderung der Arbeiterwohlfahrt, der auch „Kulturabende“ veranstalte.

Für Burkert-Eulitz ist die Haltung des Senats ein „Skandal“: „Die Situation behinderter Kinder ist in Berlin sowieso nicht so toll. Aber was sich in Sachen behinderter Flüchtlinkskinder abspielt, ist teilweise dramatisch“, so die Abgeordnete: „Da muss etwas passieren.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.