Umfrage in Tunesien: 62 Prozent wollen politisch aktiv werden
Die erste repräsentative Umfrage in Tunesien zeigt: Von den Islamisten halten die meisten gar nichts, 41 Prozent wollen eine parlamentarische Demokratie.
MADRID taz | Der typische Tunesier, die typische Tunesierin ist um die Sicherheit besorgt, will sich in die Politik einmischen, kennt kaum Parteien und will auf gar keinen Fall einen starken Präsidenten. Das ergab die erste repräsentative Umfrage, die am Montag in Tunis vorgestellt wurde. "Wir haben 1.060 Tunesier und Tunesierinnen aller Alters- und Bildungsgruppen aus sämtlichen Regionen persönlich interviewt", erklärt der für die Umfrage Verantwortliche Attia Salah vom Marktforschungsunternehmen Global Management Services. Die Studie ergibt ein erstaunlich homogenes Bild der Bevölkerung.
Von der neuen, demokratischen Zukunft haben die Befragten eine klare Vorstellung. Nur 16 Prozent wollen ein System mit einem starken Präsidenten. 41 Prozent setzten auf eine rein parlamentarische Demokratie, und 39 Prozent wären mit einem gemischten System einverstanden. Arbeiter und Angestellte, Arbeitslose und Studenten sowie die Bevölkerung im armen Landesinneren sind von einer parlamentarischen Demokratie überdurchschnittlich stark angetan. Die am 24. Juli zur Wahl stehende verfassunggebende Versammlung müsse sich - so 43 Prozent - nach Ausarbeitung der neuen Magna Carta auflösen. Nur 26,5 Prozent wollen, dass sie als Parlament weiter im Amt bleibt.
59,2 Prozent sehen den Übergang zur Demokratie in guten Händen. Sie sind sich sicher, dass die derzeitige Regierung die soziale und wirtschaftliche Lage des Landes gut kennt. 45,6 Prozent vertrauen darauf, dass sie nicht von Männern des alten Systems bestimmt wird.
62 Prozent wollen sich aktiv am politischen Leben beteiligen. 45 Prozent definieren sich als "politische Mitte". 71,4 Prozent geben an, wählen zu wollen, 30,4 Prozent sehen die sozialen Medien im Internet als ihr Betätigungsfeld, 28,2 Prozent überlegen, einer Partei beizutreten, und 21,5 Prozent wollen in der Zivilgesellschaft aktiv werden. 20 Prozent sehen Demonstrationen und Sit-ins als adäquate Mittel.
Viele Tunesier kennen - nach 23 Jahren der Zensur - weder die Parteienlandschaft noch deren Vertreter. Am bekanntesten ist neben dem Chef der Übergangsregierung, Béji Caïd Essebsi, der Führer der islamistischen Ennahda, Rachid Ghannouchi. Doch nur 6,9 Prozent halten den Islamisten für "rechtschaffen".
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