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Ultimatum für Sprengel-Besetzer

■ Heute will die Stadt Hannover eine Zustimmung zu ihrem „Kompromißvorschlag“ - oder die Räumung / Nur zwei der sieben ehemaligen Fabrik-Gebäude sollen erhalten bleiben

Die Friedensfrist für das besetzte Sprengel-Gelände läuft unwiderruflich ab. Bis heute sollen sich die Besetzer der ehemaligen Schokoladenfabrik in der hannoverschen Nordstadt entscheiden, ob sie einen Kompromißvorschlag der Stadt annehmen. Lehnen sie ab, droht die gewaltsame Räumung. Um 13 Uhr kommen noch einmal Vertreter der Stadt und der Besetzer zusammen. Beide Seiten signalisierten gestern, sie wollten eine friedliche Lösung des seit etwa einem Jahr andauernden Konfliktes.

Doch die Positionen sind eindeutig: Die Stadt hat den Besetzern im Juni einen, nach ihrer Ansicht letzten, Kompromiß-Vorschlag gemacht. Danach sollen zwei der sieben Gebäude auf dem Sprengel-Gelände erhalten bleiben. Den Besetzern soll das größte Fabrikgebäude für ein alternatives Projekt überlassen werden. Entscheidende Bedingung: Die Besetzer räumen umgehend den Rest des Geländes.

In Briefen und Gesprächen mit den Besetzern hat Oberstadtdirektor Hinrich Lehmann-Grube deutlich gemacht, daß er von seiner Vollmacht Gebrauch machen will, notfalls mit Gewalt zu räumen: „Die Besetzung wird jetzt auf alle Fälle beendet, entweder im Guten oder mit Gewalt“. Ebenso unmißverständlich machte er dabei klar, daß die Stadt bei einer gewaltsamen Räumung die meisten Gebäude sofort abreißen oder weitgehend zerstören lassen will, um eine Wiederbesetzung zu verhindern.

Die Besetzer werten die Haltung der Stadt als Erpressung. Sie befürworten das Konzept einer Architektengruppe aus der Nordstadt, nach dem alle Sprengel-Gebäude für alternative und stadtteilbezogene Projekte erhalten werden sollen. In Flugblättern signalisierten die Besetzer die Bereitschaft, Abstriche von ihren Forderungen zu machen. Sie bestehen aber darauf, daß die Bürger der Nordstadt noch einmal

ausführlich an der Entschei

dungsfindung beteiligt werden. Nachdem das Sprengel-Gelände sieben Jahre leer stand, bevor es im Sommer 1987 besetzt wurde, gebe es nun keinen Grund zur Eile.

Eile hat die Stadt vor allem, seitdem in der Nordstadt die ersten Straßenbarrikaden brannten. Zudem wird der Druck durch Teile der Lokal-Presse, die unverhohlen nach Räumung ruft, größer. Die Besetzer distanzierten sich von gewaltsamen Übergriffen und gaben an, sie hätten Leute, die in der Nachbarschaft in Läden eingebrochen seien, inzwischen „rausgeschmissen“.

In den letzten Wochen kam es verschiedene Male zu Auseinandersetzungen mit Skinheads, die der neonazistischen FAP nahestehen. Bei einem offenbar auf einem FAP-Treffen vorbereiteten Überfall auf Bewohner des Sprengel-Geländes war ein Besetzer lebensgefährlich verletzt worden.

Romanus Otte (dpa)

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